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Berichte

Schub für afrikanische Zivilgesellschaft

Es war ein großer Erfolg, das erste Weltsozialforum in Afrika vom 20.-25. Januar – jedenfalls für die afrikanischen Zivilgesellschaften, weniger für die Organisatoren. Auch wenn die Großveranstaltung durch zahlreiche organisatorische Pannen beeinträchtigt wurde, gelang es afrikanischen NGOs und sozialen Bewegungen, ihre Themen, Einsichten und Positionen mit großem Selbstbewußtsein in die weltweite Debatte der Globalisierungskritiker einzubringen

(von Frank Kürschner-Pelkmann, WEED)

Nairobi - In den kommenden Tagen werden wir Schluß machen mit dem Kapitalismus, der so viel Leiden verursacht hat.“ Mit dieser Ankündigung zu Beginn des Weltsozialforums (WSF) brachte Henri Dikoumé von der Föderation der zivilgesellschaftlichen Organisationen Kameruns das Selbstbewußtsein und die Hoffnungen vieler afrikanischer Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum Ausdruck. In einem Interview mit der Nachrichtenagentur IPS sagte er weiter: „Unsere alternative Vision in Kamerun besteht darin, ein Land aufzubauen, das den Menschen ins Zentrum stellt. Die Zukunft des kamerunischen Volkes muß in den Händen der Einwohner liegen. Wir sind solidarisch mit allen Kräften in unserem Land, die wirkliche Alternativen
erreichen wollen.“

Erfahrungsaustausch und Vernetzung zentral: Daß es solche Alternativen zu einem Kapitalismus geben muß, der Afrika ausplündert, davon mußten die Afrikanerinnen und Afrikaner auf dem WSF nicht erst überzeugt werden. Die meisten von ihnen engagierten sich bereits in Nichtregierungsorganisationen und sozialen Bewegungen. Sie nutzten die Versammlung der 46.000 Globalisierungskritiker aus aller Welt, um Verbindungen zu Initiativen zu knüpfen, die in anderen afrikanischen Ländern und anderen Weltregionen zu ähnlichen Themen arbeiten. Dabei gelang es, Themen wie Klimawandel und Ernährungssicherung miteinander zu verknüpfen, also Zusammenhänge globaler Probleme zu benennen und daraus Konsequenzen für die eigenen Strategien zu ziehen. Besonders erfolgreich waren die Fraueninitiativen dabei, Gender-Themen mit den übrigen Schwerpunkten des Treffens in Nairobi zu verbinden und hierfür Gehör zu finden.

Erfahrungsaustausch und Vernetzung waren zentrale Stichworte in Nairobi. Zugleich bot das WSF viel Ermutigung für die oft noch kleinen zivilgesellschaftlichen Gruppen in Afrika, denn sie konnten erleben, wie viele dieser Gruppen und Organisationen es kontinentweit inzwischen gibt. Wichtig für das eigene Selbstbewußtsein war auch, mit welch profunden Analysen die afrikanischen Diskussionsteilnehmer den globalen Dialog ganz entscheidend mitprägten. Dabei sorgten sie dafür, daß wichtige Themen des eigenen Kontinents wie Migration, AIDS und die Folgen der Rohstoffausbeutung einen hohen Stellenwert bei diesem Forum  erhielten, während sich ihr Interesse an der Bewertung der Politik von Chávez oder Lula durchaus in Grenzen hielt.

Beispiel Bergbau und Öl: Ein Beispiel für Erfahrungsaustausch und Vernetzungen war die Beschäftigung mit den sozialen Folgen von Bergbau und Ölgewinnung in Afrika. Delphine Kemneloum Djiraibi vom Friedenskomitee im Tschad beschrieb den Beginn der Ölförderung in ihrer Heimat im Jahre 2004 bei einer Veranstaltung des Sozialforums so: „Das war der Ausgangspunkt für unsere Probleme.“ Die Ölförderung habe die Armut nicht vermindert, sondern zur Bereicherung der Elite und zu Konflikten innerhalb der herrschenden Schicht geführt, die den neuen Bürgerkrieg mit entfacht haben. Die Veranstaltung zum Thema „Rohstoffgewinnung in Afrika – wer gewinnt, wer verliert?“ wurde von verschiedenen kirchlichen Organisationen durchgeführt, ein Beispiel für das große kirchliche Engagement bei dem Treffen in einer überwiegend christlichen Bevölkerung und einer engen Verknüpfung von Glauben und gesellschaftlichem Leben. Bei der Veranstaltung ging es neben der Erdölförderung im Tschad und dem dazugehörigen Pipelineprojekt vom Fördergebiet des westafrikanischen Binnenstaates an die Küste Kameruns um das zivilgesellschaftliche
Engagement in anderen afrikanischen Ländern, die von negativen sozialen und ökologischen Auswirkungen von Bergbau- und Ölförderprojekten betroffen sind.

Honoré Ndoumbe Nkotto aus Kamerun schilderte, wie mehr als 500 Menschenrechtsverletzungen in Zusammenhang mit dem Bau der Ölpipeline akribisch dokumentiert wurden. In mehr als der Hälfte der Fälle gelang es, Verbesserungen für die betroffenen Menschen durchzusetzen. Grundlage hierfür ist ein intensiver Dialog der Zivilgesellschaft mit Regierung und Bergbauunternehmen. Im Tschad wurde auf Druck der Zivilgesellschaft ein Gesetz verabschiedet, das sicherstellen soll, daß die Öleinnahmen der Bevölkerung und insbesondere den Menschen in den Fördergebieten zugute kommen. Bei der Veranstaltung berichtete Delphine Kemneloum Djiraibe allerdings auch, daß die Regierung das Gesetz vor kurzem geändert hat, um damit ihre Armee im Bürgerkrieg zu finanzieren.

Schwächen: Martin Petry, der im Team Menschenrechte von Brot für die Welt für Friedensarbeit und Konflikttransformation verantwortlich ist, betonte am Ende der Veranstaltung: „Neben der Darstellung von Erfolgen wurde auch offen angesprochen, vor welchen Problemen die Zivilgesellschaft in Afrika steht. So wird bisher reaktiv gearbeitet. Die Bergwerksunternehmen kommen in die afrikanischen Länder, überrollen alles, und die Zivilgesellschaft versucht dann, darauf zu reagieren. Das wurde als Schwäche erkannt, und es wird nun versucht, andere Strategien zu entwickeln.“ Bei einer zweiten Veranstaltung ging es um das Thema „Bergbau – die Nutzung von Menschenrechtsinstrumenten in Konflikten bei Bergbauaktivitäten“. Als Fallbeispiel wurde Ghana gewählt. Hannah Owusu-Koranieng von der Menschenrechtsorganisation WACAM, die sich für ghanaische Gemeinschaften einsetzt, die zu Opfern von Bergbauprojekten geworden sind, erläuterte, wie der Goldreichtum des Landes vor allem internationalen Bergbauunternehmen genützt hat, während Ghana arm geblieben ist und die ökologischen Schäden groß sind, so die starke Schadstoffbelastung des Wassers in den Fördergebieten.

Der Leiter des Menschrechtsteams von Brot für die Welt, Michael Windfuhr, stellte dar, wie sich Opfer von Menschenrechtsverletzungen in Zusammenhang mit Bergbauprojekten mit juristischen Mitteln zur Wehr setzen können. Ein Hindernis ist dabei in Afrika, daß unter dem Einfluß und dem Druck der Weltbank in den letzten Jahren die Land- und Bergbaugesetze in mehr als 30 afrikanischen Ländern liberalisiert und dadurch die rechtlichen Möglichkeiten der Opfer von Unrecht durch Bergbauprojekte eingeschränkt worden sind.

Um so wichtiger sei es, sich in den afrikanischen Ländern auf internationales Recht zu berufen: „Wenn man die lokale Gemeinschaft verteidigen will und die nationalen Gesetze hierfür immer weniger Möglichkeiten offen lassen, ist es wichtig, die Regierung mit internationalen Standards zu konfrontieren. Auch können Richter internationale juristische Instrumente für ihre Urteile heranziehen. Auf diese Weise können die Rechte der Menschen verteidigt werden.“

Kleine Schritte: Die Begegnung von Initiativen von Sierra Leone bis Angola, die sich mit den Folgen des Bergbaus in Afrika befassen, wird zu einer engeren Zusammenarbeit führen. Beim Weltsozialforum in Nairobi wurden viele solcher kleinen Schritte getan, die zwar nicht gleich Schluß mit dem Kapitalismus machen, aber doch dafür sorgen, daß die afrikanischen Zivilgesellschaften so viel Kompetenz und Durchsetzungskraft gewinnen, daß aus alternativen Visionen Wirklichkeit wird.

 

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