zur Startseite
Das deutschsprachige Informationsportal
zur weltweiten Sozialforum-Bewegung
zur Startseite zur Startseite
| Aktuell  | Termine  | Links  | Forum  | Feedback  | Newsletter  | Suche: 
 
Schnell-Info
zurück zur Startseite

Berichte

Kalaschnikows beim WSFKalaschnikows beim WSF

Die Demonstration zur Eröffnung begann im größten Slum Nairobis. Doch viele Kenianer konnten sich den Zutritt zum Weltsozialforum nicht leisten

(von Fabian Frenzel, Jungle World)

Nairobi - Es sollte das große afrikanische Weltsozialforum werden und das erste, das nur in Afrika stattfindet. Im vergangenen Jahr gab es drei Veranstaltungsorte, einer war die malische Hauptstadt Bamako. Doch das polyzentrische WSF 2006 wurde als Misserfolg gewertet, sodass es in diesem Jahr erneut nur ein Forum gab. Mit Kenia hatte sich ein Land im afrikanischen Auswahlprozess durchgesetzt, in dem die Demokratisierung fortschreiten sollte. Doch in vielerlei Hinsicht blieb das 7. Weltsozialforum, das in der vergangenen Woche in Nairobi stattfand, hinter den großen Erwartungen zurück.

An Stelle der 150 000 Teilnehmer, auf die man sich vorbereitet hatte, kamen bloß 50 000. Vor allem aus Kenia selbst und anderen afrikanischen Ländern reisten weit weniger Teilnehmer an als erhofft. Viele kenianische Aktivisten machen dafür das Organisationsteam um die kenianische NGO Social Development Network (Sodnet) verant­wortlich. »Einige der Organisatoren haben das WSF offensichtlich zunächst als eine große Einnahmequelle und touristisches Ereignis verstanden und weniger als einen Beitrag zur Stärkung der afrikanischen Zivilgesellschaft«, erklärte ein aufgebrachter Kritiker bei einem der vielen spontanen Proteste, die sich während des Forums gegen die Organisatoren richteten.

Probleme hatte es bereits vor der Eröffnung gegeben. Denn Kenia verlangt für zehn vornehmlich westafrikanische Staaten spezielle Visa. Die angekündigte Hilfe des Organisationsteams und der Immigrationsbehörden blieb jedoch weitgehend aus, sodass Hunderte westafrikanische Delegierte nicht einreisen konnten.

Ein weiterer Anlass für Proteste waren die Registrierungskosten von 500 Schilling (5,50 Euro). Die meisten Kenianer müssen mit weniger als einem Euro pro Tag auskommen. Das Organisationsteam akzeptierte nach Protesten einen reduzierten Preis von 50 Schilling pro Tag, später wurden auch kostenlose Registrierungen für Kenianer ermöglicht. Dennoch gingen die Proteste weiter. Sehr teuer für kenianische Verhältnisse waren auch Essen, Wasser und Unterkunft.

Das 7. Weltsozialforum fand in dem am Stadtrand liegenden Moi-Sportzentrum statt. Polizei und private Sicherheitsdienste kontrollierten die Eingänge und hielten auch die Lebensmittelhändler ab, die sonst das Straßenbild Nairobis prägen. Einige Kleinhändler wurden sogar auf dem Gelände verhaftet, später nach Protesten von Teilnehmern jedoch freigelassen. Viele Kritiker sahen in dieser Abschottung einen Versuch, mit dem WSF ein Geschäft zu machen. Das Organisationsteam hatte eine Reihe von Exklusivverträgen abgeschlossen, unter anderem mit Getränkeherstellern, einem Mobilfunkbetreiber und Cateringfirmen. Nicht wenige vermuten, dass Mitglieder des Organisationsteams persönlich von diesen Verträgen profitierten.

Das Restaurant eines Cateringunternehmens wurde bei einer Protestaktion regelrecht geplündert, nachdem im Forum bekannt geworden war, dass es John Michuki, dem Minister für Innere Sicherheit gehört. Michuki wurde international bekannt, weil er im vergangenen Jahr die Büroräume einer regierungskritischen Tageszeitung von Polizisten verwüsten ließ.

Ungewöhnlich für globalisierungskritische Veranstaltungen war auch die starke Präsenz zum Teil bewaffneter Polizisten auf dem Forum. »Ein WSF, das von Polizisten mit Kalaschnikows bewacht wird, scheint dem eigenen Anspruch, ein offenes Forum zu sein, kaum gerecht zu werden«, sagte eine britische Umweltaktivistin. Der Cheforganisator, Professor Edward Oyugi von Sodnet, wies die Vorwürfe lapidar zurück: »Die Kritik hat nichts mit dem WSF zu tun. Sie ist politisch.«

Einige Gruppen aus den sozialen Bewegungen hatten einen Alternativgipfel organisiert, der komplett kostenlos war. Das »People’s Parliament« wollte sich bewusst vom WSF absetzen, die Organisatoren sprachen von 4 000 Teilnehmern und erklärten, sie hätten die Idee des WSF gegen die Organisatoren verteidigt.

Zur Eröffnung des offiziellen Forums waren rund 20 000 Teilnehmer zu einer Demonstration aufgebrochen, die von Kibera, Nairobis größtem und bekanntesten Slum, zum Uhuru-Park im Finanzzentrum der Stadt führte. Den Teilnehmern wurden bei dem zweistündigen Marsch die sozialen Kontraste vorgeführt.

In den Begrüßungsreden übten sich verschiedene Teilnehmer und langjährige WSF-Aktivisten in politischer Massenagitation. Bukulu Haruna, der das Forum zum ersten Mal in einer Delegation ugandischer Jugendarbeiter besuchte, fasste seine Eindrücke zusammen: Der kleinste gemeinsame Nenner des Forums sei es wohl, antiamerikanisch zu sein. Er finde das nicht sonderlich intelligent angesichts der potenziellen Fördergelder aus den USA.

Kontrovers wurde immerhin debattiert, ob allein die USA der Feind sind. Nicht wenige afrikanische Aktivisten werfen China eine neokoloniale Politik vor, die Märkte würden mit Billigprodukten überschwemmt, die die lokale Produktion bedrohten, und chinesische Firmen würden die afrikanischen Rohstoffquellen ausbeuten. Auch Chinesen waren auf dem Forum und versuchten, mit dem Hinweis auf Investitionen und Hilfszahlungen die Vorwürfe zu entkräften.

Doch das WSF gibt auch weiterhin eine Gelegenheit für Diskussionen und den Austausch von Vorschlägen. Mitglieder des Nigerianischen Sozialforums, das vor zwei Monaten getagt hatte, wollten in Nairobi darüber diskutieren, ob das WSF linke Wahlalternativen wie in Lateinamerika auch in Afrika fördern könne. Die insbesondere in Lateinamerika befürwortete stärkere Orientierung des Forums an der etablierten Politik stieß in Nairobi erneut mit dem von den meisten NGO bevorzugten Modell eines Raums für offenen Austausch zusammen. Manche Aktivisten kritisierten die »unpolitische« Haltung vieler NGO, denen vorgeworfen wurde, insbesondere an ihrer Selbsterhaltung zu arbeiten.

In anderer Weise setzten sich schwul-lesbische Gruppen aus Afrika für ihre Selbsterhaltung ein. Homosexuelle seien in Afrika von ständiger Diskriminierung betroffen, erklärten ihre Vertreter. Wie zur Bestätigung meldeten die kenianischen Tageszeitungen während des Forums, dass eine Gruppe muslimischer Gelehrter in Mombasa die Forderung nach Gesetzen gegen Homosexualität vorgebracht hatte.

Der nächste wichtige Termin für internationale Proteste ist nun der G 8-Gipfel in Heiligendamm. Aktivisten von der Interventionistischen Linken und Attac wollen die Stellungnahmen afrikanischer Gruppen in die Aufrufe zum Protest einbringen. Anreisende Afrikaner dürften allerdings wieder Probleme bei der Beschaffung eines Visums bekommen.

 

« zurück zur Übersicht