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Berichte

Der Prozess geht weiter

Ein Bericht vom Internationalen Rat des Weltsozialforums

(von Judith Dellheim, Rosa Luxemburg Stiftung Berlin)

Analysieren und Vorschläge diskutieren! Diese unspektakuläre Forderung des brasilianischen Aktivisten und Mitbegründers des Weltsozialforums Chico Whitaker ist das, was jetzt nötig ist, wenn der Schwung von Salvador das WSF als Prozess und vor allem die sozialen Bewegungen stärken soll. Sie wurde in der auf zwei Tage verteilten insgesamt 10-stündigen Diskussion des International Council des WSF (IC) vorgebracht als Antwort auf ein bekanntes Problem: Wieder einmal wurde die Charta von Porto Alegre zur Disposition gestellt, ohne zu klären, inwiefern die Probleme der Sozialforumsbewegung mit ihr zu tun haben.

Nur ausnahmsweise wurde die Frage nach dem eigenen Anteil an diesen Schwierigkeiten gestellt. Allerdings sind die Bedingungen für eine solche Analyse und Diskussion günstig, denn mit dem WSF von Salvador ist entschieden: Das WSF hat sozial Engagierte in Brasilien ermutigt und der WSF-Prozess geht weiter, wobei die Betonung auf „Prozess“ liegt.

Genauer: Wie kompliziert die politische Situation für die Linken in Brasilien ist, hat der politische Mord an Marielle Franco erneut brutal gezeigt. Er hat auch tragisch bewiesen, wie richtig es war, das WSF in Brasilien zu veranstalten: Ein WSF soll im Brennpunkt regionaler politischer Auseinandersetzungen von globaler Dimension stattfinden. Zehntausende aus 127 Ländern haben teilgenommen. Etwa 95 Prozent der Beteiligten leben in Brasilien. 2100 Veranstaltungen in 19 thematischen Achsen wurden gezählt, wobei Menschenrechte, Frieden und Demokratie, soziale und ökologische Gerechtigkeit die übergreifenden Themen waren. 2000 junge Menschen waren auf dem Camp, wo allein 600 Aktivitäten registriert wurden. Etwa 1200 Ehrenamtliche haben für das Gelingen des Forums gesorgt, ebenso wie die politische, finanzielle und organisatorische Unterstützung der PT-Landesregierung und der staatlichen Universität.

Die auf der IC-Beratung genannten Daten stellen klar: Das Forum war ein brasilianisches mit internationaler Beteiligung. Dass es kein rechtes Weltsozialforum war, wurde insbesondere von jenen IC-Mitgliedern betont, die die Ausblendung der Kriege im Nahen und Mittleren Osten und des Konfliktes zwischen Russland und der Ukraine kritisierten. Dieses Defizit erregte jedoch nicht alle – auch nicht das Fehlen von Aktiven aus Asien, Mittel- und Osteuropa.

Oder es wurde als Argument für eine Änderung der Charta genutzt. Diese schließt allerdings politische Erklärungen und Aktionen von WSF-Teilnehmer/innen keineswegs aus. Dass solche Aktivitäten nur ausnahmsweise von einzelnen IC-Mitgliedern ausgehen, hat Chico Whitaker als Problem benannt. Es ist auch ein Argument für die anstehende Erneuerung des IC, der mittlerweile aus „altgedienten Stammgästen“ besteht. Das junge, stark weibliche und bunte Forum von Salvador findet im IC keine Entsprechung.

Die unterschiedlichen Standpunkte der IC-Mitglieder machten sich auch und insbesondere an der Frage fest, ob die Versammlung der sozialen Bewegungen ein Erfolg oder ein Reinfall war. Als brasilianische Angelegenheit war sie zweifellos gut und wichtig, als WSF-Aktivität mit Flüsterübersetzung wohl aber nicht. Weitergehende globale Impulse für die sozialen Bewegungen gingen von dem diesjährigen Forum nicht aus.

Dabei gibt es sie durchaus: Die seit Montreal stattgefundenen thematischen WSF wurden ausnahmslos positiv gewürdigt. Daraus wurde nun die Schlussfolgerung gezogen, auf thematische WSF zu fokussieren und damit den ursprünglich herausgestellten Prozesscharakter der Sozialforen neu zu betonen. Das nächste thematische WSF wird im November in Mexiko veranstaltet und den Schwerpunkt Migration haben. Auch eines zu Solidarischer Ökonomie und Commons ist in Vorbereitung. Es wurde eine Vielzahl von weiteren globalen und regionalen Foren und Aktivitäten angekündigt. Sie werden in Kürze auf der Website wsf2018.org/en/ zu finden sein.

Somit dürfte klar sein: Das nächste WSF wird aus sehr vielen verschiedenen Aktivitäten hervorgehen!

(Dr. Judith Dellheim ist Referentin für Solidarische Ökonomie der Rosa-Luxemburg-Stiftung und hat auf dem WSF die Beratungen des IC miterlebt.)

 

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