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Pressespiegel

Junge Welt

 

Junge Welt, 23.1.2003
Warum fahren Sie zum Weltsozialforum?
In Porto Alegre werden ab heute Alternativen zur kapitalistischen Globalisierung diskutiert

Fragen von Daniel Behruzi und Wolfgang Pomrehn

Beatrix Sassermann, Mitglied des gewerkschaftsoppositionellen Chemiekreises:

Weil ich das Ziel, Alternativen zur bestehenden Weltordnung zu erarbeiten, für sehr wichtig halte. Darüber hinaus werde ich die Reise dazu nutzen, für den Chemiekreis schon lange bestehende Kontakte zu Kolleginnen und Kollegen aus dem Chemiebereich zu pflegen, den kontinuierlichen Erfahrungsaustausch lebendig zu erhalten und gemeinsame Projekte voranzutreiben.

F: Welche Erwartungen haben Sie an das WSF?

Ehrlich gesagt, befürchte ich, daß durch den absehbaren Massenandrang der Charakter einer gemeinsamen Diskussion gefährdet wird. Wie immer, wenn eine Bewegung stark und eindrucksvoll geworden ist, finden sich plötzlich alle möglichen Organisationen ein, auch die, die in Europa zum Beispiel gar kein Problem mit der Globalisierung haben, oder meinen, ihr sei mit ein paar Sozialklauseln beizukommen. Trotz alledem wird es sicher wieder ein bereicherndes Ereignis werden.

F: Womit werden Sie sich schwerpunktmäßig beschäftigen?

Für mich steht Lateinamerika im Mittelpunkt: die an Faschismus grenzenden Verhältnisse in Kolumbien, wo ein Krieg gegen die sozialen Bewegungen geführt wird, der >>Streik<< gelber Gewerkschaften und die Sabotage von Unternehmern in Venezuela, um einen den USA nicht genehmen Präsidenten zu Fall zu bringen sowie die internationale Solidarität. Wichtig ist natürlich auch die gemeinsame Suche nach der anderen Welt, die sich das Wohlergehen aller Menschen auf die Fahnen geschrieben hat und nicht die Bereicherung einiger weniger. Dazu gehört der Widerstand gegen die bevorstehenden Kriege. Außerdem möchte ich versuchen, Eindrücke vom WSF in einer Telefonübertragung nach Wuppertal, zum Ersten Wuppertaler Sozialforum vom 24. bis 26.Januar zu übermitteln.

Nicola Bullard arbeitet für >>Focus on the Global South<< (Der globale Süden im Fokus), ein kleines, aber sehr aktives Institut in Bangkok, das unter anderem detailliert die Auswirkungen der Globalisierung in Südostasien untersucht und kritisiert:

Dies ist ein entscheidendes Jahr für die Bewegung gegen die neoliberale Globalisierung: Wir müssen Wege finden, den Krieg gegen den Irak zu stoppen, eine weitere Liberalisierung des Welthandels im Rahmen der Welthandelsorganisation WTO zu verhindern und unsere Bewegung zu einer starken politischen Kraft für den Wandel zu machen. Außerdem wird Porto Alegre eine wunderbare Gelegenheit sein, den Sieg des neuen brasilianischen Präsidenten >>Lula<< zu feiern.

F: Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Fragen, die das WSF diskutieren muß?

Neben der Frage der Verhinderung eines Kriegs gegen den Irak wird es vor allem das Versagen der Weltwirtschaft sein, Arbeitsplätze und würdige Lebensbedingungen zu schaffen, und die Militarisierung und Repression nach dem 11. September.


Sven Giegold, Mitglied des Koordinierungsrates von ATTAC-Deutschland:

Weil sich dort die gesamte globalisierungskritische Bewegung trifft und man sich mit den Leuten unterhalten kann, die in ihren Ländern zu ähnlichen Themen arbeiten. In meinem Fall sind dies vor allem Steuerflucht und Steuerpolitik. Wir werden in Porto Alegre ein internationales Netzwerk gegen Steuerflucht von Konzernen und Vermögenden gründen.

F: Was erwarten Sie vom WSF?

Ich glaube, daß es ein sehr starkes Signal gegen den Krieg im Irak aber auch gegen neoimperiale Strukturen in Lateinamerika senden und außerdem die Vernetzung der ganzen Bewegung voranbringen wird.

F: Was sind die wichtigsten Fragen, die auf dem WSF diskutiert werden müssen?

Unter anderem wird es darum gehen, die vielen internen Kontroversen der Bewegung zu diskutieren. Eine so heterogene Bewegung ist sich natürlich in vielen Fragen nicht einig. Um das auszutragen, ist das Weltsozialforum der beste Ort. Nirgendwo anders kann man besser lernen, daß man mit engen Ideologien nicht mehr weiterkommt. Aus ganz verschiedenen Zusammenhängen beginnen Menschen soziale Ungerechtigkeit und Demokratieabbau im Rahmen der Globalisierung zu kritisieren. In Porto Alegre haben sie die Gelegenheit, zueinander zu kommen, aber eben auch zu sehen, wo es Differenzen gibt. Diese Fragen zu diskutieren, ist aus meiner Sicht der Hauptzweck des Forums.

Conny Hildebrand, Mitarbeiterin der Rosa-Luxemburg-Stiftung:

Weil ich denke, daß es ein sehr wichtiges Treffen sozialer Bewegungen ist, auf dem die Probleme dieser Welt deutlich gemacht und vor allem neue Lösungswege gesucht werden können.

F: Die Rosa-Luxemburg-Stiftung gehört zu den Sponsoren des Weltsozialforums. Woher Ihr Interesse?

Wir versuchen mit unserer Delegation, Menschen, von denen wir meinen, daß sie im Sinne der Stiftung und sozialer Gerechtigkeit arbeiten, die Gelegenheit zu geben, in Porto Alegre mitzudiskutieren.

F: Im Falle von Auslandsprojekten kooperieren Sie gewöhnlich mit den deutschen Botschaften und dem Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ), gelegentlich auch mit dem Außenministerium. Ist das dieses Mal auch der Fall?

Es gibt grundsätzlich für alle politischen Stiftungen zuwendungsrechtliche Bedingungen, nach denen sie arbeiten müssen, damit sie überhaupt Auslandsprojekte genehmigt bekommen. Die Genehmigungen laufen über das BMZ und einige Projekte über das Auswärtige Amt. Das gilt für alle politischen Stiftungen, egal, welcher Partei sie nahestehen. Und diesen grundsätzlichen Richtlinien für Stiftungen ist natürlich auch die Rosa-Luxemburg-Stiftung unterworfen. Sonst ist eine Projektdurchführung gar nicht machbar.

F: Und das gilt auch für Porto Alegre?

Wir führen in Lateinamerika ein Regionalprojekt durch, das den genannten Richtlinien unterliegt. Alles, was wir dort vor Ort machen, muß natürlich mit diesen Richtlinien in Übereinstimmung stehen. Das gilt auch, wenn wir etwas in Porto Alegre machen.

Gabi Zimmer, Vorsitzende der PDS:

Weil das Weltsozialforum mit all seinen Veranstaltungen mittlerweile für das freimütige offene Gespräch von Aktiven aus Gewerktschafts- und globalisierungskritischer Bewegung, von Friedensbewegten wie von Frauenrechtlerinnen, Umweltschützerinnen und Umweltschützern sowie Verteidigern der Menschenrechte steht.

Sie suchen nach Alternativen, suchen Wege hin zu einer anderen, gerechteren Welt. Das ist für mich natürlich von großem Interesse, zumal die PDS sich in einer Programmdebatte befindet und ebenso über Alternativen nachdenkt. Unsere bisherigen Vorstellungen von demokratischem Sozialismus will ich bei diesem Sozialforum ebenso vorbringen, wie ich zuhören werde, andere Sichtweisen kennenlernen und darüber diskutieren will. Und gerade in Porto Alegre möchte ich die dort bereits gemachten ersten Erfahrungen mit neuen Demokratieformen, auch dem sogenannten partizipativen Haushalt, studieren. Eines wird uns in Porto Alegre sicher vor allem anderen bewegen: Den drohenden Krieg der USA gegen den Irak doch noch abzuwenden.

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Junge Welt, 24.1.2003
Einladung nach Neu-Delhi Nächstes
Weltsozialforum soll in Indien stattfinden. Konferenz von Porto Alegre eröffnet

von Andreas Behn

Noch bevor das Weltsozialforum am Donnerstag richtig begonnen hatte, war bereits eine der wichtigsten Entscheidungen getroffen worden. Nachdem das größte Treffen der linken Bewegungen drei Jahre hintereinander im südbrasilianischen Porto Alegre stattfand, wird es im Jahr 2004 in Indien, wahrscheinlich in der Hauptstadt Neu-Dehli, abgehalten werden. Allerdings soll es im Jahr darauf wieder an seinen Ausgangsort in Brasilien zurückkehren.

>>Es ist unser Ziel, die Menschen aller Kontinente in gleicher Weise am Forum zu beteiligen<<, begründete Roberto Savio, Sprecher des Internationalen Rates des Weltsozialforums (WSF), die Entscheidung am Mittwoch abend vor der Presse. Ein weiterer Grund sei, daß das Forum an seinem eigenen Erfolg>>zu ersticken<< drohe:>>Mit den erwarteten 100 000 Gästen ist das Forum organisatorisch und finanziell an seine Grenzen gestoßen<<, so der Italiener Savio, der für die Presseagentur IPS am Internationalen Rat (CI) teilnahm.

Zwei Tage lang hatte der CI, das höchste Gremium des Forums, das sich aus über 130 Nichtregierungsorganisationen vieler Länder zusammensetzt, hinter verschlossenen Türen getagt. Um die Ausrichtung des nächsten Forums ist bis zum Schluß hart gerungen worden, weil lateinamerikanische Vertreter sich dafür stark machten, das Forum auch in Zukunft auf ihrem Kontinent zu veranstalten. Doch diejenigen, die für eine stärkere Teilnahme der Vertreter aus Asien und Afrika eintraten, setzten sich schließlich durch. >>Immer noch ist das WSF ein Treffen von vornehmlich weißen Menschen, die Armen und Marginalisierten selbst sind kaum präsent<<, faßte ein Teilnehmer der Marathonsitzung die Kritik zusammen.

Bei der Frage, ob das Forum in Zukunft offizielle Entscheidungen treffen und politische Erklärungen abgeben oder ob es lediglich ein Raum für Diskussionen bleiben soll, wurde kein Konsens gefunden. Einigkeit bestand aber darin, daß angesichts der organisatorischen Probleme des Treffens in Zukunft mehr Wert auf die Regionalisierung des Forums gelegt werden sollte: Unabhängig vom zentralen WSF soll es in den verschiedenen Weltregionen kleinere Treffen und thematische Foren geben. >>Nicht die Ausweitung, sondern eine Vertiefung der Diskussionen ist ab jetzt unser Ziel<<, so Roberto Savio, der daran erinnerte, das die diesjährige Ausrichtung des Forums mindestens 23 Millionen US-Dollar kosten werde.

Offiziell sollte das Forum am Donnerstag nachmittag mit einer großen Demonstration eröffnet werden. Unter dem Motto >>Eine andere Welt ist möglich<< sollte mit dem Marsch vor allem gegen den drohenden Krieg im Irak und gegen die gesamtamerikanische Freihandelszone ALCA protestiert werden. Die meisten der knapp 2 000 Veranstaltungen des Forums werden in den kommenden vier Tagen stattfinden – nur wann und wo weiß bislang niemand, denn noch haben es die Organisatoren nicht geschafft, das seit Tagen angekündigte Programm zu erstellen und zu drucken. Erfolgreich beendet wurden bereits die thematischen Sonderforen, die im Vorfeld des eigentlichen Treffens stattfanden, unter anderem internationale Treffen von Gewerkschaftern, Richtern, Bürgermeistern oder von Parlamentariern.

Neben der Verlegung des Forums nach Indien wurde vor allem ein Gerücht diskutiert: Laut brasilianischem Außenministerium hat der Präsident Venezuelas, Hugo Chávez, angekündigt, am Sonntag das WSF zu besuchen. Nicht auf offizielle Einladung, sondern als Gast eines >>Solidaritätskomitees<<, denn Mitglieder von Regierungen oder von bewaffneten Gruppen dürfen als solche keine eigenständigen Aktivitäten entfalten. Mit der Anwesenheit von Chávez würde die Debatte über die Frage, inwiefern prominente Staatschefs Einfluß auf das Weltsozialforum nehmen und die Aufmerksamkeit der Presse auf sich ziehen, noch intensiviert.

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Junge Welt, 25.1.2003
Porto Alegre zum ersten
Kolumne von Mag Wompel

Eigentlich sollte diese Kolumne wie folgt beginnen: Bei dem herrlichen Sommerwetter in Brasilien – im Gegensatz zu der Kälte damals in Florenz – kann das Weltsozialforum nur ein Erfolg werden, wenn es darum geht, einem besseren Leben nicht nur nachzuforschen, sondern es auch einfach einmal anzutesten. Nur, es ist zwar Sommer, und bei der Landung vorgestern in Porto Alegre waren es sogar 30 Grad, aber inzwischen hat es sich eingeregnet, und die Temperaturen fielen auf nun nur noch 20 Grad. Man spricht hier sogar davon, daß die Zeltplätze, u. a. das Jugendcamp, wo allein 30000 Menschen erwartet werden, gefährdet sind, sollten die Sommerregen und Gewitter anhalten. Erste Gewinner des Sozialforums sind daher die Straßenhändler, die Schirme verkaufen, natürlich zu unterschiedlichen Preisen, je nach Regenstärke.

Bevor die Eindrücke des ersten Tages geschildert werden, noch ein Schritt zurück. Denn es ist innerhalb der Linken keinesfalls eine Selbstverständlichkeit, am dritten Weltsozialforum teilzunehmen. Viele Stimmen kritisierten zu Recht die Entwicklung der ersten beiden Foren in Porto Alegre: Sie seien von Beginn an und zunehmend ein Happening des Sehen-und-Gesehen-werdens gewesen, auch bis hin zur Selbstdarstellung von NGO-Prominenz sowie real regierenden Parteien. Und im Vorfeld dieses dritten Forums zeichnete sich die Vertiefung dieser Entwicklung ab. So wurde schon bei den Anmeldungen die eher bürgerliche Presse bevorzugt behandel; gleiches galt für die staatstragenden Parteien (vor allem die Arbeiterpartei PT, die jetzt die Regierung in Brasilien stellt) und NGOs (z. B. ATTAC) sowie Gewerkschaftsprominenz. Viele meinen daher, daß, wenn sich nun 2000 Unternehmensvertreter, Staatspräsidenen, NGOs und andere in Porto Alegre die Ehre geben, letztlich nur noch eine Protokollveranstaltung herauskommt.

Die Kritiker werden in der Tat auch vor Ort bestätigt. So bringt etwa Brasiliens Staatspräsident Ignacio >>Lula<< da Silva die gesamte Zeitplanung dadurch durcheinander, daß er auf dem Weg zu seiner Teilnahme am Weltwirtschaftsforum in Davos auch das Weltsozialforum hier in seinem Lande beglücken möchte. Nicht nur der Workshop des LabourNet Germany mußte deswegen verlegt werden. Die Kritiker mögen sich auch dadurch bestätigt fühlen, daß die deutschen Gewerkschaften, die u.a. wegen ihrer Abwesenheit in Florenz scharf kritisiert wurden, ihre auch hier unterdurchschnittliche Präsenz mit merkwürdigen Aktivitäten zu kaschieren versuchen. So mußten sie sich unbedingt im Goethe-Institut treffen und, unter sich bleibend, eigene Veranstaltungsreihen propagieren. Schon wird gemunkelt, daß man dafür nicht nach Brasilien fliegen müßte und die Gewerkschaftsvertreter daher am meisten unter dem verhältnismäßig schlechten Wetter zu leiden hätten.

Richtig ist natürlich, daß grundlegende Verbesserungen im Kapitalismus nicht möglich sind. Falsch ist meines Erachtens – sonst wäre ich nicht hier – Kapitalismuskritik dadurch zu vertreten, indem man sich vornehm zurückhält. Erwartet wird demnach die Fortführung der angenehmen Erfahrung aus Florenz, daß bei aller Skepsis gegenüber der Dominanz der NGO`s und regierungsfreundlichen – wenn auch laut globalisierungskritischen – Organisationen, diese die grundlegende Kapitalismuskritik nicht zu dämmen vermögen.

Und – Hand aufs Herz – niemand, der je versucht hat, eine Veranstaltung auch von nur 50 Personen ergebnisorientiert zu gestalten, kann allen Ernstes erwarten, daß ein weltweites Treffen von etwa hunderttausend Menschen, so guten Mutes sie auch sein mögen, zu handfesten Ergebnissen führen kann. Und wer würde nicht zugeben, daß an allen Kongressen und Tagungen eines am wichtigsten ist, nämlich die Gespräche in den Pausen oder beim Bierchen danach. Auch wenn zugegebenermaßen Porto Alegre in Brasilien für die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Welt den Nachteil hat, daß viele derjenigen, die die beste Basisarbeit machen und am interessantesten davon berichten könnten, nicht in der Lage sind, sich diese Reise zu leisten.

Und in diesem Sinne hat, dem Regen hier zum Trotz, das dritte Weltsozialforum phantastisch begonnen. Bei gutem Essen und natürlich viel Bier saßen bereits am Donnerstag mittag die buntesten internationalen Runden zusammen und erforschten Gemeinsamkeiten wie Unterschiede. Nur auf dieser Basis kann später kontinuierliche Zusammenarbeit per e-mail stattfinden, nachdem man eine persönliche Vorstellung voneinander hat. Denn auch die positive Seite der Globalisierung funktioniert nicht ohne persönliche Kontakte. Dafür sind solche Foren da.

Natürlich brauchte das kein Weltsozialforum. Nur sind die Kontakte hier einfacher. Wichtig ist aber auch das Gefühl, nicht allein zu sein. Dafür hat sich die Eröffnungsdemonstration am Donnertag abend sehr gut geeignet. Sicherlich war sie nicht zu vergleichen mit der Antikriegsdemo in Florenz mit zwanzigtausend Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Doch war sie nicht zuletzt dank der Vertreterinnen und Vertreter Lateinamerikas viel bunter und vielfältiger.

Ein weiterer Impuls erwartet uns am Sonnabend, wenn gegen die Angriffe auf die tapferen Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter von Coca Cola in Kolumbien protestiert werden soll und direkt danach – zusammen mit dem venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez – gegen die bürgerliche Opposition in Venezuela.

Bis dahin werden viele Kontakttreffen stattfinden, die jedes Mal die Welt kleiner erscheinen lassen . Aber darüber soll in zwei Wochen berichtet werden.

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Junge Welt, 29.1.2003
Positive Bilanz
Abschlußdemonstration gegen Krieg und Freihandel zum Ende des Weltsozialforums

von Andreas Behn

Am Dienstag ging im brasilianischen Porto Alegre das Weltsozialforum (WSF) zu Ende. Schon am Montag abend wurden die Debatten des Forums mit einer Demonstration von rund 25000 Menschen gegen die gesamtamerikanische Freihandelszone ALCA und die US-Kriegspolitik beendet. Bei aller Kritik im Detail überwiegt eindeutig die positive Bewertung des Treffens, das jetzt schon zum dritten Mal hintereinander als Gegenveranstaltung zum Weltwirtschaftsforum von Davos stattfand.

Zu den Kritikpunkten gehörte u. a., daß die großen Nichtregierungsorganisationen sehr dominant auftreten und de facto bestimmen würden, welchen Eindruck das Forum nach außer vermittelt. Ein Journalist begründet diesen Vorwurf mit dem Hinweis, daß Mitarbeitern von alternativen Medien erst nach heftigen Protesten Zugang zum gutausgestatteten Pressezentrum gewährt wurde. Eine Delegierte aus Europa befürchtet, daß die Überbewertung der Großveranstaltungen und der berühmten Ikonen der Bewegung dazu führen werde, daß das WSF bald an Attraktivität verlieren wird. Eine Brasilianerin hält entgegen, das es jedes Jahr mehr und bessere Workshop gebe, und daß das Treffen in Südbrasilien zu einem wichtigen Referenzpunkt für die Linke zumindest aus Lateinamerika geworden ist. Sie befürchtet sogar, daß die Verlegung des WSF 2004 nach Indien diesen Erfolg gefährde.

Überschwenglich ist die Reaktion zumeist von Teilnehmern aus Brasilien, viele Europäer sind etwas zurückhaltender. >>Das Forum ist ein Ort zum Diskutieren, zum Austausch und um zu demonstrieren, was die Globalisierungskritik will und wie stark sie inzwischen geworden ist<<, faßte eine Frau aus Argentinien zusammen.

>>Kennt ihr noch jemanden, der den Neoliberalismus öffentlich verteidigt?<< fragte Candido Grzybowsky, Sprecher des brasilianischen Organisationskomitees, auf der abschließenden Pressekonferenz.>>Es ist uns gelungen, diese Ideologie zu delegitimieren, indem wir für eine Wirtschaft plädieren, die den Menschen dient. Das Weltsozialforum bezeichnete Grzybowsky als riesigen Erfolg, weil es immer weiter wachse.

Eine offizielle Abschlußerklärung gibt es nicht, aber die zentralen Anliegen des Forums waren klar herauszuhören: Gegen den geplanten Krieg im Irak, für eine friedliche Lösung in Nahost mittels Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern und konsequente Ablehung des herrschenden Wirtschaftsmodells und seiner Institutionen wie Welthandelsorganisation oder Freihandelszonen.

Laut Angaben der Organisatoren waren tatsächlich die erwarteten 100000 Teilnehmer in Porto Alegre, darunter über 20000 Delegierte von 5700 Organisationen. 4094 Journalisten berichteten von den Aktivitäten, die Hälfte von ihnen kam aus dem Gastgeberland.

Der Besuch des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez löste wider Erwarten keine größeren Diskussionen aus. Als Staatschef nicht auf dem Forum zugelassen, aber auf der Suche nach Öffentlichkeit und Unterstützung war Chávez am Sonntag für einige Stunden nach Porto Alegre gekommen. Er kritisierte das Vorgehen der Opposition in seinem Land, die mit einer Streikkampagne seinen Rücktritt erzwingen will, als Sabotage. Mit dem Weltwährungsfonds IWF habe sein Land seit vier Jahren kein Abkommen mehr geschlossen, >>um eine Krise und Verarmung wie in Argentinien zu verhindern<<. Dem Land sei>>eine Überdosis Neoliberalismus verabreicht<< worden, so der Präsident auf einer Pressekonferenz im Parlamentsgebäude. Als Alternative zu den bestehenden Wirtschaftsinstitutionen schlug Chávez die Schaffung von lateinamerikanischen Institutionen vor, beispielsweise>>Petroamerika<< – eine lateinamerikanischen Variante der OPEC.

Der US-amerikanische Wissenschaftler Noam Chomsky, einer der meistgehörten Menschen des Forums, hielt nicht viel von diesem Vorschlag. Statt weitere Institutionen zu schaffen, sollte lieber auf Basisbewegungen gesetzt werden. >>Die wichtigsten sozialen Bewegungen kommen aus dem Süden, und sie sind immer breiter und erfolgreicher<<, so Chomsky. Noch vor 30 Jahren wurden linke Wahlerfolge und Massenbewegungen durch Militärs brutal beendet. Angesichts der engagierten Zivilgesellschaft sei dies heute nicht mehr möglich, dafür aber der Wahlsieg von>>Lula<< in Brasilien, begründet der Linguistik-Professor den Optimismus, den viele der Teilnehmer des Forums ausstrahlten.

Auch von den rund 300 Delegierten aus Deutschland von über 50 Organisationen wurde eine zumeist positive Bilanz gezogen. Gelobt wurden bei einem Abschlußtreffen im Goethe-Institut von allem die intensiven 1286 Workshops. Ermutigend sei auch die immer stärkere Vernetzung und die Erfahrung der interkulturellen Partizipation gewesen. Gewarnt wurde aber von einer zu euphorischen Selbstüberschätzung. Zudem gab es den Hinweis, daß die sozialen Bewegungen und Nichtregierungsorganisationen im Süden weit konfrontativer und effektiver agieren würden, als dies in Deutschland der Fall sei. Da kann der Norden vom Süden noch einiges lernen.

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