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Pressespiegel

Sozialistische Zeitung

 

SoZ, März 2003
Stärker als je zuvor
3. Weltsozialforum in Porto Alegre

Das 3.Weltsozialforum vom 22. bis 28.1.03 im südbrasilianischen Porto Alegre hat mit 20763 Delegierten von 5717 Organisationen aus 156 Ländern und rund 100000 Teilnehmenden zum dritten Mal in Folge neue Beteiligungsrekorde aufgestellt. Sein zeitgleiches Gegenstück, das Weltwirtschaftsforum der Reichen und Einflussreichen in Davos, wurde eindeutig in den Schatten gestellt. Über 4000 Journalisten von 1423 Medien berichteten aus Porto Alegre. Die zentralen politischen Botschaften des Forums — gegen Neoliberalismus und Krieg, für soziale Gerechtigkeit und Menschenwürde überall auf dem Planeten, eine andere Welt ist möglich — sind inzwischen unüberhörbar.

Das Welttreffen der Bewegung gegen die neoliberale Globalisierung nimmt weiter an Breite zu. So war die internationale Gewerkschaftsbewegung stärker präsent als im vergangenen Jahr. Nach den kontinentalen Vorbereitungsforen in 2002, u.a. in Italien, Argentinien, Ecuador und Indien, ist das Weltforum noch internationaler geworden. War die Delegation aus Brasilien auch diesmal wieder die größte, so nahm in diesem Jahr die nordamerikanische Delegation (USA und Kanada) mit rund 2000 Menschen den zweiten Platz in der Rangordnung ein. Deutlich mehr waren auch aus Nordeuropa und Asien gekommen.

Nach der Eröffnungsdemonstration mit 70000 Menschen war die Millionenstadt Porto Alegre buchstäblich wieder ein einziges Kongresszentrum. In fast 1300 Workshops, zahlreichen Seminaren, Podiumsdiskussionen und Großveranstaltungen an den beiden Universitäten der Landeshauptstadt, in der zeitweise hoffnungslos überfüllten Sporthalle, dem großen Musikstadion, den städtischen Kulturzentren und in zahllosen Sälen wurde diskutiert, referiert, gelernt und mitunter gestritten.

Das internationale Jugendlager zählte dieses Mal über 30000 Teilnehmende — erneut eine enorme Steigerung. Kurz vor Beginn hatte das internationale Organisationskomitee entschieden, das nächste Forum 2004 in Indien durchzuführen — in der Hoffnung, die Beteiligung aus Indien und Asien, aber auch aus Afrika dadurch deutlich steigern zu können. Das Weltsozialforum 2005 soll wieder in Porto Alegre stattfinden.

Es war diesmal leichter, in wesentlichen Fragen einen Grundkonsens herzustellen. Während beim 2.Forum 2002 die Einschätzung der Terroranschläge vom 11.9.01 und der Krieg gegen Afghanistan noch das parallele Parlamentarierforum tief gespalten und eine gemeinsame Stellungnahme verhindert hatte — wodurch auch das Treffen der sozialen Bewegungen belastet wurde —, gelang es nun ohne größere Schwierigkeiten, gemeinsame Positionen und Perspektiven zu entwickeln.

Im Mittelpunkt standen die Ablehnung der aggressiven Kriegs- und Eroberungspolitik der US- Regierung, der Kampf gegen "die Welt als Ware" und der Kampf gegen die neoliberale Welthandelsorganisation WTO. Globalisierungskritische Forderungen erhielten neuen Auftrieb, und das liegt nicht nur an der weltweiten Zuspitzung der sozialen und kriegerischen Auseinandersetzungen, sondern in starkem Maße auch an der veränderten Lage in Lateinamerika. Ende letzten Jahres hat die politische Linke in Brasilien mit der Wahl Lulas zum Staatspräsidenten einen eindrucksvollen Wahlsieg errungen. In Venezuela, Argentinien, Bolivien und Ecuador halten schwere gesellschaftliche und politische Auseinandersetzungen an.

Lula sprach auf einer Massenkundgebung vor 100000 Menschen — für viele der Höhepunkt des Forums. Gleichzeitig entspann sich eine Kontroverse um seine Einladung zum Weltwirtschaftsforum, die er nicht ausschlagen wollte. Lula begründete die Annahme der Einladung damit, in Davos die Stimme der in Porto Alegre Versammelten erheben zu wollen. Tatsächlich forderte er in Davos erheblich mehr Anstrengungen der reichen Länder für den armen Süden im Kampf gegen Hunger und Elend. Von den Veranstaltern und großen Medien wurde er aber auch funktionalisiert für angebliche "Brücken" zwischen den Akteuren in Davos und Porto Alegre.

Desto wichtiger ist, dass die sozialen Bewegungen und das Forum insgesamt ihre politische Unabhängigkeit gegenüber Regierungen beibehalten, egal wie "links" diese sind. Die Versammlung der sozialen Bewegungen verabschiedete eine umfangreiche politische Erklärung und einigte sich auf konkrete organisatorische Schritte, um ihr in Ansätzen bestehendes weltweites Netzwerk auszubauen.

Der gewaltige Zustrom in das hochsommerliche Porto Alegre brachte auch viele organisatorische Probleme. Der Rückgang der finanziellen und organisatorischen Unterstützung durch die neue Regierung des Bundesstaats Rio Grande do Sul — die PT hat dort im letzten Oktober die Wahlen zugunsten der Rechten verloren —, machte sich bemerkbar. Bei einigen der zentralen Podiumsdiskussionen mit weltweit bekannten Persönlichkeiten der globalisierungskritischen Bewegung gab es erhebliche Probleme mit der

Simultanübersetzung in verschiedene Sprachen. Es gab einfach nicht genügend Übersetzungsapparate für so viele Menschen. Aber auch hier half — wie so oft — die erstaunliche Improvisationsfähigkeit der Veranstalter.
Einerseits ist es erfreulich, dass Porto Alegre so viele Menschen anzieht, andererseits macht es die Struktur des Forums mit seinen zahlreichen Großveranstaltungen aber immer schwerer, in den oft zeitgleich und zahlreich angebotenen Arbeitsgruppen die konkreten Fragen zu diskutieren. Desto wichtiger werden in Zukunft die Länder- und kontinentalen Foren sein, die eine genauere Positionsbildung und die Erarbeitung von Umsetzungsstrategien erleichtern. Das Weltforum bliebe jährlicher oder zweijährlicher Sammelpunkt der internationalen Opposition gegen den Neoliberalismus, könnte sich aber auf eine besser entwickelte Vorarbeit und Nachbereitung stützen.

H.Dierkes / M.Kellner / F.Özkan

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SoZ, 27.01.2003
Aufruf der weltweiten sozialen Bewegungen
Auszüge aus der Schlusserklärung vom 27.01.03

as WSF versteht sich als Raum der Debatte und des Austauschs und verabschiedet keine politischen Stellungnahmen. Doch kamen auch diesmal im Rahmen des WSF zahlreiche Vertreter und Aktive der sozialen Bewegungen in einem eigenen Forum zusammen, um einen gemeinsamen "Aufruf zur Tat" zu debattieren und zu verabschieden. Im Mittelpunkt standen die Teilnahme am weltweiten Antikriegstag vom 15.2., der Kampf gegen die WTO sowie gegen die geplante amerikanische Freihandelszone ALCA und die Stärkung des Netzwerks. Wir dokumentieren im Folgenden Auszüge aus der am 27.Januar 2003 verabschiedeten Erklärung.

Wir treffen uns in Porto Alegre im Schatten der globalen Krise. Die kriegerische Absicht der Regierung der USA, einen Krieg gegen den Irak zu beginnen, ist eine große Bedrohung für uns alle und verdeutlicht auf dramatische Weise die Verbindung von Militarismus und Wirtschaftsmacht. Gleichzeitig steckt die neoliberale Globalisierung selbst in einer Krise. Soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten wachsen und bedrohen unsere Rechte und unser Leben. Biodiversität, Luft, Wasser, die Wälder, die Erde und das Meer werden wie Waren benutzt.

Für unsere gemeinsame Zukunft!

Wir sind soziale Bewegungen, die in der ganzen Welt gegen neoliberale Globalisierung, Krieg, Rassismus, Kastenwesen, Armut, Patriarchat und alle Formen wirtschaftlicher, ethnischer, sozialer, politischer, kultureller, sexueller und geschlechtsbedingter Diskriminierung und Ausgrenzung kämpfen. Wir alle kämpfen für soziale Gerechtigkeit, bürgerschaftliche Rechte, teilhabende Demokratie, Menschenrechte und für das Recht der Völker, über ihre eigene Zukunft zu entscheiden.
Wir setzen uns ein für Frieden und internationale Zusammenarbeit, für eine nachhaltige Gesellschaft, die die Bedürfnisse der Menschen nach Essen, Unterkunft, Gesundheit, Erziehung, Information, Wasser, Energie, öffentlichen Verkehrsmitteln und weitere Lebensrechte erfüllt.

Kein Krieg!

Die sozialen Bewegungen sind gegen Militarisierung, gegen die Zunahme militärischer Einrichtungen und staatlicher Unterdrückung, die unzählige Flüchtlinge und die Kriminalisierung sozialer Bewegungen und armer Menschen mit sich bringen.
Wir sind gegen den Krieg gegen den Irak, gegen die Angriffe auf die Palästinenser, auf das tschetschenische und kurdische Volk, gegen die Kriege gegen Afghanistan, Kolumbien, in Afrika und gegen die wachsende Kriegsdrohung gegen Korea. Wir stellen uns gegen die wirtschaftliche und politische Aggression gegen Venezuela, die politische und wirtschaftliche Blockade der US- Regierung gegen Kuba und anderswo. Wir sind gegen jede Art von militärischen und wirtschaftlichen Aktionen, die dazu dienen, das neoliberale Modell aufzuzwingen und die Souveränität und den Frieden der Völker in der Welt zu unterminieren.
Wir rufen alle sozialen Bewegungen und fortschrittlichen Kräfte auf, am 15.Februar 2003 weltweit Proteste zu unterstützen, zu organisieren und sich daran zu beteiligen.

Hebelt die WTO aus!

Die Welthandelsorganisation (WTO), die panamerikanische Freihandelszone (ALCA) und die starke Zunahme regionaler und bilateraler Handelsabkommen wie der African Growth and Opportunity Act (AGOA) oder die vorgeschlagenen zentralamerikanischen Freihandelsabkommen werden von multinationalen Konzernen dazu benutzt, ihre eigenen Interessen zu verfolgen, unsere Wirtschaften zu beherrschen und uns ein Entwicklungsmodell aufzuzwingen, das unsere Gesellschaften verarmen lässt. Im Namen der Handelsliberalisierung ist jeder Aspekt des Lebens und der Natur käuflich, und die Menschen verlieren ihre Grundrechte.
Wir unterstützen die weltweite Bewegung für Lebensmittelsouveränität und kämpfen gegen die neoliberalen Modelle der Landwirtschaft. Weltweite Massenproteste werden wir insbesondere anlässlich des 5.Ministertreffens der WTO in Cancún (Mexiko) im September 2003 und anlässlich des Ministertreffens der ALCA in Miami (USA) im Oktober organisieren.

Schuldenstreichung

Die vollständige und bedingungslose Schuldenstreichung für die Länder des Südens ist eine Grundvoraussetzung für die Gewährleistung der grundsätzlichsten Menschenrechte.

Widerstand gegen die G8

Wir rufen alle sozialen Bewegungen und fortschrittlichen Kräfte auf, an der Mobilisierung gegen die G8 teilzunehmen, die sich vom 1. bis 3.6. 2003 in Evian (Frankreich) treffen werden, ihre Illegitimität anzuklagen und ihre Politik abzulehnen.

Gleichheit von Frau und Mann fördern

Wir verstehen uns als Teil der Aktionen, die von den Frauenbewegungen zum Internationalen Frauentag am 8.März propagiert werden, um gegen alle Formen der Gewalt, des Patriarchats sowie für soziale und politische Gleichstellung zu kämpfen.

Solidarität

Wir rufen alle fortschrittlichen sozialen Kräfte, Bewegungen und Organisationen in der ganzen Welt zur Solidarität mit den Völkern Palästinas, Venezuelas, Boliviens u.a. auf, die extreme Krisen durchleben und gegen die imperialistische Hegemonie kämpfen.

Porto Alegre, 27.1.2003

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