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Weniger Anklagen, mehr Aktionen

Das Weltsozialforum 2005 beginnt am Mittwoch im brasilianischen Porto Alegre

(aus: Berliner Zeitung)

RIO DE JANEIRO, 23. Januar. Weniger Analysen und Anklagen, dafür mehr Aktionen und Änderungsvorschläge - mit diesem Schwerpunkt beginnt am Mittwoch das Weltsozialforum in Porto Alegre. Zum Treffen der Nicht-Regierungsorganisationen und sozialen Bewegungen werden 150 000 Teilnehmer aus aller Welt erwartet.

Mit der Akzentverschiebung von der Theorie zur Praxis wollen die Veranstalter der Kritik entgegentreten, das Forum bringe keine konkreten Vorschläge zu Stande und drohe immer mehr zu einem "ideologischen Jahrmarkt" zu werden, wie der brasilianische Präsident Luiz Inacio Lula da Silva formuliert hat. Die Kassandrarufe, der Weltkongress der alternativen Bewegung verliere seine Aussagekraft, je häufiger er wiederholt werde, haben das Forum ohnehin stets begleitet. Es wurde 2001 als Gegenveranstaltung zum Weltwirtschaftsforum im schweizerischen Davos gegründet.

Im Hintergrund der Debatte um Theorie und Praxis steht die desillusionierende Erfahrung, dass die weltweiten Massenproteste den Irak-Krieg ebenso wenig verhinder haben wie die Wiederwahl von US-Präsident Bush. Zur Desillusionierung trägt jedoch auch die Regierung des Gastgeberlandes bei. Vor zwei Jahren war der damals gerade gewählte Präsident Lula der umjubelte Star des Forums, der die Hoffnungen auf den Siegeszug der demokratischen Linken in Südamerika verkörperte. Diesmal wird Lula - der wie vor zwei Jahren sowohl nach Porto Alegre als auch nach Davos reist - das Forum entzweien. Die einen sehen in ihm noch immer den Vorkämpfer für vorbildliche Sozialreformen, die anderen werfen ihm vor, als Präsident zum Verfechter neoliberaler Wirtschaftspolitik geworden zu sein.

Noch stärker polarisierend dürfte der Auftritt von Hugo Chavez wirken. Der venezolanische Staatschef wurde von der brasilianischen Landlosen-Bewegung MST eingeladen, die große Sympathien für Chavez' radikale Landreform hegt, In Brasilien selbst hat die Landverteilung für die Regierung Lulas keine besondere Priorität.

Nachdem 2004 Indien das Gastgeberland war, kehrt das Forum in diesem Jahr wieder an seinen Geburtsort, das südbrasilianische Porto Alegre, zurück. In den sechs Tagen des Forums sollen rund 2500 Veranstaltungen stattfinden, die in elf Themenbereiche gebündelt sind: Von den klassischen Gebieten wie Menschenrechte und Friedensarbeit bis zu "Ethik, Kosmovisionen und Spiritualitäten" oder "Kunst und schöpferische Tätigkeit".

Der Versuch, der Praxis und der Aktion mehr Raum zu geben, beschränkt sich organisatorisch allerdings zunächst auf Wandzeitungen, die die Vorschläge publizieren. Viele der vorbereitenden Organisationen wünschen, dass sich das Forum am Ende auf einige "allgemein akzeptierte Aktionen" wie den Kampf gegen die Armut und Korruption oder die Wanderbewegungen des spekulativen Kapitals einigt. Eine weltweite Allianz von etwa 100 Nicht-Regierungsorganisationen hat bereits einen "Globalen Aktionsaufruf gegen die Armut" vorbereitet.

Die rund vier Millionen Euro teure Veranstaltung, die von der öffentlichen Hand in Brasilien zu etwa drei Vierteln finanziert wird, soll erstmal nicht in der als elitär empfundenen Katholischen Universität stattfinden, sondern in als "ökologisch" bezeichneten, für das Forum errichteten Gebäuden. Anders als bisher übernimmt das Forum diesmal auch nicht die Reisespesen von prominenten Rednern aus dem linken und alternativen Spektrum, sondern finanziert stattdessen die Anreise von Vertretern solcher Bevölkerungsgruppen, die sich die Reise nicht leisten könnten. Eine Studie hatte 2003 ergeben, dass die Forumsteilnehmer mehrheitlich keine Benachteiligten sind, sondern der Bildungselite angehören: 73 Prozent hatten einen Hochschulabschluss.

 

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