Berichte
Weltsozialforum fordert Menschenrecht auf Kommunikation
(von
Torge Loeding (Voces Nuestras), Caracas, heise online
Elektronische Medien und der Zugang zu diesen stehen im Zentrum der
Diskussionen auf dem diesjährigen Weltsozialforum (WSF) in Venezuelas
Hauptstadt Caracas. "Die Garantie des Menschenrechtes auf Kommunikation
ist Voraussetzung für eine gerechte Weltordnung", sagte Jonas Valente
von der brasilianischen Nichtregierungsorganisation (NRO) Intervozes
auf einer Veranstaltung. Insbesondere die Einführung des
Digitalfernsehens schaffe ganz neue Möglichkeiten zur Demokratisierung
der Kommunikation.
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"In Brasilien wird die TV-Ausstrahlung zurzeit auf digital umgestellt.
Interessant ist dabei für uns nicht der bessere Ton oder die
Bildqualität, sondern die Chance zur Verbreitung von Informationen
ähnlich wie im Internet. Zudem wird die Verbreitungsquantiät
vervierfacht, wenn auf HDTV-Komprimierung verzichtet wird. Das erlaubt
neuen Akteuren auf die Medienbühne zu treten, besonders öffentlichen
Medien, die mit der Zivilgesellschaft verbunden sind", sagte Valente.
Ob alternative und öffentliche Medien (die in Brasilien ein
Schattendasein fristen) bei der Verbreitung ihrer Inhalte im
Digitalfernsehen berücksichtigt werden, das hängt freilich davon ab,
wessen Interessen in diesem Prozess ausschlaggebend sind.
Kommunikationsminister Hélio Costa gilt als Mann des mächtigen
Medienkonzerns TV Globo und dessen Vorhaben ist die Ausstrahlung von
HDTV sowie die Verbreitung von Inhalten für Mobilgeräte.
Gut besucht sind auf dem Forum stets die Veranstaltungen, an denen
Vertreter des neuen TV-Senders Televisión del Sur (kurz Telesur)
teilnehmen, der als Gegengewicht zu CNN und den anderen führenden
Nachrichtenkanälen aus den USA ins Leben gerufen wurde. Am 24. Juni
2005 nahm der Kanal mit Hauptsitz in Caracas seine Arbeit auf und
erreicht heute per Satellitensignal etwa zwei Millionen Zuschauer in
Lateinamerika und Europa. Rund 70 Prozent der Kosten trägt die
venezuelanische Regierung von Hugo Chávez, 20 Prozent kommen aus
Argentinien und 10 Prozent aus Uruguay. Brasilien und Kuba gewähren
technische Unterstützung "Eigentlich war Telesur als ein bescheidenes
Projekt geplant, aber weil die US-Regierung es von der ersten
Sendeminute an so heftig kritisiert hat, wurde es zu einem Symbol des
Widerstandes. Das Ziel für 2006 ist die Verfünffachung unser
Zuschauerzahl auf zehn Millionen", sagte Gabriel Mariotto, Direktor von
Telesur Argentinien.
"Es geht darum eine neue Informationskultur zu schaffen. Nachrichten
haben nach unserem Verständnis erst dann einen Nachrichtenwert, wenn
soziale Hintergründe eines Ereignisses erklärt werden. Bei Telesur gibt
es keinen Sensationalismus und keine Glamour-Meldungen, sondern wir
senden die Realität Lateinamerikas aus unseren eigenen Perspektive.
Mehr als die Hälfte des TV-Programmes besteht aus Dokumentationen",
erklärte Pascal Serrano, Online-Chef des Senders.
Telesur und weitere lateinamerikanische Kommunikationsaktiviäten \u2013
wie die Integration der Lateinamerikanischen Nachrichtenagentur ALAI
oder die kontinentweite Kampagne für das Recht auf Kommunikation, für
welche die großen Dachverbände der Kommunalradios ALER und AMARC, die
alternative Nachrichtenagentur IPS und andere den Startschuss auf dem
Forum in Caracas gaben \u2013 werden gesehen als Ausdruck des neuen
politischen Selbstbewusstseins auf dem Subkontinent. Nicht von ungefähr
wurde als Austragungsort des Forums Venezuela gewählt, wo Präsident
Hugo Chávez seit seiner ersten Wahl vor sieben Jahren eine Politik der
Umverteilung zugunsten der Armen betreibt, die er selbst als
"revolutionär" und "sozialistisch" bezeichnet. Kürzlich rief Chávez
eine "Achse des Guten" aus gegen die "Achse des Bösen von US-Präsident
Bush" aus, in welcher er in einer Reihe mit Kubas Fidel Castro und dem
neu gewählten Präsidenten von Bolivien, Evo Morales, stehe. Zumindest
partielle Unterstützung genießt diese Achse seitens der
Mitte-Links-Regierungen in Brasilien, Urugay und Chile, sowie der
Regierung Argentiniens. Die Entscheidung für den Austragungsort Caracas
und die Umarmung mit der hiesigen Regierung wird indes nicht von allen
Teilnehmern begrüßt. Einige haben gar ein alternatives Forum in der
Stadt organisiert, welches jede finanzielle Zuwendung einer Regierung
strikt ablehnt.
Auf dem WSF kommen Vertreter sozialer Bewegungen und
Globalisierungskritiker aller Schattierungen zusammen, um ihre
Aktivitäten zu bilanzieren und gemeinsame Kampagnen zu organisieren. In
diesem Jahr trifft sich das WSF \u2013 welches erstmals 2001 im
brasilianischen Porto Alegre veranstaltet wurde \u2013 parallel auf
drei Kontinenten: Bereits in der vergangenen Woche endete das Forum in
Afrika, wo in Bamako (der Hauptstadt von Mali) rund 20.000 Teilnehmer
gezählt wurden. In Venezuela endet das Forum am kommenden Montag, bis
dahin werden etwa 120.000 Menschen teilgenommen haben. Das WSF im
pakistanischen Karatschi wurde aufgrund des schweren Erdbebens auf den
Sommer verschoben.
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