Berichte
Vernetzung: Das Weltsozialforum in Caracas
Auf dem Weltsozialforum in Caracas hat der venezolanische Präsident Chavez erneut die USA stark angegriffen. Er bezeichnete Präsident Bush als "Mr. Danger". Die Chavez-Show war nicht Höhepunkt sondern ein Ausrutscher. Das Weltsozialforum versteht sich als Gegenveranstaltung zum Weltwirtschaftsgipfel in Davos und will einen fairen Welthandel erreichen, vor allem durch Vernetzung.
(von Michael Castritius, ARD-Hörfunkstudio Mexico,
Tagesschau)
Hugo Chavez bediente alle Klischees, die man sich von ihm machen mag.
Nur das des Populisten nicht: Er langweilte, statt mitzureißen. Beifall
bekam er nur von seinen Claqueuren, die normalen Teilnehmer des
Weltsozialforums hielten sich auffällig zurück.
Einig war man sich allerdings in der Kritik an den USA und deren
Präsidenten George W. Bush. Chavez nennt sie nur "das Imperium" und
"Mr. Danger". "Das Imperium des Herrn Gefahr ist das perverseste,
mörderischste, moralloseste Imperium das dieser Planet seit
Jahrhunderten gesehen hat," so Chavez.
Über 2000 Diskussionsrunden und Workshops
Der Feind ist klar, der Freund auch: er war in Gruppenstärke mit
Wink-Elementen, kleinen kubanischen Fähnchen, angetreten. Diese
Chavez-Show war nicht der Höhepunkt des Weltsozialforums, sondern der
Ausrutscher. Den Alltag prägten über 2000 Diskussionsrunden und
Workshops, die verschiedenste Basis-Gruppen organisiert hatten.
Parteien und Politiker blieben verpönt.
Milagros Coba ist vom Land, aus dem Süden Venezuelas, in die Hauptstadt
Caracas gekommen - und er ist weltoffener als sein Präsident. "Ich höre
hier andere Ideen und tausche Erfahrungen aus. Denn so können wir
unseren Sozialismus hier in Venezuela weiterentwickeln. Unsere Vison
ist, das wir uns mit anderen Völkern verbünden, damit es ein
internationales Gleichgewicht gibt. Denn in diesem Prozess des Wandelns
dürfen wir nicht alleine bleiben, schließlich steht uns eine starke
Macht gegenüber, die nicht ruhig zusehen wird", erklärt Coba.
Es geht um Grundbedürfnisse
"Wandel" oder "eine andere Welt ist möglich" oder "lokaler Kampf", das
sind prägende Begriffe in den Foren von Caracas. Viele kleine
Graswurzel-Gruppen verbinden sich zu einer Wiese. Auch wenn auf der
manche seltsame, revolutions-romantische Pflanze blüht. Insgesamt sind
die Anliegen aber von Ernsthaftigkeit geprägt. Denn oft geht es um
Grundbedürfnisse der Menschen wie würdiger Wohnraum, Nahrung,
Gesundheitsversorgung, Bildung. Oder Trinkwasser, das den Kolumbianer
Enrique Galan beschäftigt. "Wir arbeiten in Kolumbien an einer Kampagne
mit dem Ziel, Wasser als öffentliches Gemeingut zu erhalten.
Privatisierungen, die derzeit drohen, wollen wir damit ausschließen."
Das Forum hier solle dazu beitragen, das Wasser weltweit als
Menschenrecht statt als Handelsware anerkannt wird. Jeder Mensch sollte
zudem ein Anrecht auf mindstens vier Liter sauberes Wasser am Tag
bekommen. Auch wenn das Weltsozialforum sehr vielschichtig sei, so gibt
es doch Themen, die alle verbindet - und dazu gehöre das Wasser, meint
der Kolumbianer.
Vernetzung im veränderten Lateinamerika
Mit dieser Vielschichtigkeit bleibt das Weltsozialforum das genaue
Gegenteil eines Gipfeltreffens wie in Davos: Da sitzen nicht ein paar
Großkopferte, es wird nichts beschlossen, es gibt keine
Abschlusserklärung.
"Vernetzung" ist der Kern der Frucht, "Austausch" ist das Fruchtfleisch
drum herum. Erwachsen kann daraus ein verändertes Lateinamerika. Erste
Triebe sind die Links-Regierungen in Brasilien, Venezuela, Argentinien,
Chile, Ecuador, Uruguay und Bolivien.
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