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Berichte

Die neue Internationale

Sechstes Weltsozialforum in Caracas beendet. Hugo Chávez: »Gemeinsam verändern wir den Kurs der Geschichte«

(von Andreas Behn (npl), Caracas / Harald Neuber, junge Welt)

Der Auftritt von Hugo Chávez war gut geplant. Noch bevor sich der venezolanische Präsident am Freitag abend an mehrere tausend Gäste des Weltsozialforums (WSF) in Caracas wandte, erhoben sich die Anwesenden zu den Klängen der »Internationale«. Die symbolische Wirkung wurde nicht verfehlt. »Uns aus dem Elend zu erlösen, können wir nur selber tun«, sang Hugo Chávez im Podium zwischen prominenten Teilnehmern, unter ihnen der kubanische Parlamentspräsident Ricardo Alarcón.

Trotz des kämpferischen Pathos machte die Szene auch die Zerrissenheit dieses inzwischen sechsten Weltsozialforums deutlich, dessen in Caracas veranstalteter Teil am Sonntag mit einer Großdemonstration endete: Zuvor war in Bamako/Mali getagt worden, und im März soll das pakistanische Karachi Ort des WSF-Geschehens werden. Im Laufe der vergangenen Woche in Caracas stand immer wieder die künftige Ausrichtung des Forums im Zentrum der Debatten. Soll es seine institutionelle Unabhängigkeit bewahren oder – besonders in Lateinamerika – mehr mit fortschrittlichen Regierungen zusammenarbeiten?

Auch Chávez machte aus seiner Kritik am Weltsozialforum keinen Hehl. Es sei höchste Zeit, politische Positionen zu formulieren und Verantwortung zu übernehmen, mahnte er in seiner Rede. »In Jahrhunderten des Kampfes haben wir, wie Fidel Castro oft sagt, ein strategisches Talent erworben«, sagte er, »die perfekte Strategie aber fehlt uns noch«. Zugleich zeigte sich Chávez davon überzeugt, »daß wir im 21. Jahrhundert gemeinsam den Kurs der Geschichte verändern werden«. Im Feindbild war man sich einig: Die US-Regierung sei die »perverseste, mörderischste und unmoralischste« in der Geschichte, sagte Chávez unter tosendem Applaus.

Besonders die Vertreter lateinamerikanischer sozialer Bewegungen sahen sich in Caracas nicht mehr nur aus der Sicht der Ausgeschlossenen. Viele traten als Repräsentanten von sozialen Bewegungen auf, die inzwischen selbst in Regierungen präsent sind. Verständlich, daß das neue Selbstbewußtsein auch ein neues Politikverständnis mit sich bringt. Protestieren und fordern weicht in Lateinamerika immer mehr dem Versuch, konkrete Alternativen aufzuzeigen und umzusetzen.

Daran hatten jedoch nicht alle Teilnehmer Interesse. Offen wurde schon vor dem Auftritt von Chávez am Freitag Kritik am »Personenkult« um den Staatschef laut. Viele Teilnehmer aus anderen Teilen der Welt befürchten das Ende einer unabhängigen Sozialforumsbewegung. Auch der Vorschlag, eine »internationale Front gegen den Imperialismus« aufzubauen, führte unter den Gästen zu Kontroversen. Immerhin sei Chávez nicht nur ein Politiker, der eine neue Politik zu realisieren versucht, hieß es. Er selbst habe großen Einfluß auf andere Regierungen der Region.

Trotz oder gerade wegen dieser Debatten ist das Interesse am Weltsozialforum ungebrochen. Die Stimmung in den vergangenen Tagen war konzentrierter und auch konstruktiver, als nach dem organisatorischen Chaos zunächst zu erwarten war. Die Vernetzung sozialer Bewegungen, ein Kerngedanke des WSF, wurde auch in Caracas weiterentwickelt. Organisationen von indigenen Gruppen aus den Andenländern etwa haben sich in Caracas zu einer neuen Allianz zusammengeschlossen. Zugleich wurden Kontakte zwischen alternativen Medien geknüpft.

 

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