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Berichte

»Das Terrain der Machthaber meiden«

Die Meinungen über die Zukunft des Weltsozialforums gehen bei ATTAC Deutschland auseinander. Ein Gespräch mit Dorothea Härlin.

(Interview von Wolfgang Pomrehn, junge Welt)

(Dorothea Härlin ist Mitglied im Rat von ATTAC Deutschland und besuchte das Weltsozialforum in Venezuelas Hauptstadt Caracas, das am 29. Januar zu Ende ging. Zum ersten Mal hatte man das Forum auf verschiedene Kontinente verteilt. Vom 19. bis zum 23. Januar wurde bereits in Malis Hauptstadt Bamako getagt.)

F: Am Sonntag ging der venezolanische Ableger des diesjährigen Weltsozialforums (WSF) zu Ende. Wie auf allen Sozialforen wurde zum Abschluß in einer Versammlung der sozialen Bewegungen ein Aktionsaufruf verabschiedet. Was sind in diesem Jahr die Schwerpunkte?

Zum einen soll es am 18. März in aller Welt Demonstrationen gegen den Irak-Krieg geben. Zum anderen werden verschiedene internationale Mobilisierungen und Gegenkongresse unterstützt, wie etwa jener vom 10. bis 13. Mai in Wien anläßlich des EU-Lateinamerika-Gipfels, des G-8-Gipfels im Juli in Petersburg und der Jahrestagung von IWF und Weltbank im September. Außerdem sollen die Aktionen gegen die Verhandlungen in der Welthandelsorganisation in den nächsten Monaten verstärkt werden.

F: Wie sah die Koordination mit dem Teil des WSF aus, der in Malis Hauptstadt Bamako tagte?

In der täglichen Forumszeitung waren immer Nachrichten aus Bamako zu finden, so wie auch in den Vorbereitungen der beiden Foren eng zusammengearbeitet wurde. Außerdem wurde die Erklärung aus Bamako auf der Versammlung der sozialen Bewegungen unter großem Beifall verlesen mit der Bitte, sie in den sozialen Bewegungen zu diskutieren und später eventuell zu unterzeichnen.

F: Aus den Reihen der Redaktion von Le Monde Diplomatique wurde erneut eine Diskussion darüber angestoßen, daß die Sozialforen zu unverbindlich seien und zu gemeinsamen Kampagnen kommen müßten. Auch Venezuelas Präsident Hugo Chávez fordert mehr programmatisches Profil. Was halten Sie von der Kritik?

Das scheint mir ein zentraler Punkt in der Debatte um die Zukunft des Forums zu sein. Die Meinungen darüber gehen bei ATTAC Deutschland weit auseinander. Das WSF entstand aus der Kritik am Weltwirtschaftsforum in Davos und an der Unfähigkeit der politischen und wirtschaftlichen Eliten dieses Planeten, das Problem der extrem ungleichen Verteilung des enormen Reichtums zu lösen. Zumindest so weit, daß nicht täglich Tausende verhungern.

Inwiefern die links orientierten Regierungen in Lateinamerika eine Wende darstellen, die ein neues Verhältnis der sozialen Bewegungen zu den politischen Machthabern rechtfertigen könnten, ist für viele noch eine offene Frage. Gerade die Erfahrungen in Brasilien lassen Zweifel aufkommen. Auch die Tatsache, daß Hugo Chávez, zweifelsohne der radikalste unter den lateinamerikanischen Staatschefs, sich in Hongkong zur Unterzeichnung eines für Kleinbauern ungünstigen Agrarabkommens drängen ließ, macht mich nicht gerade optimistisch.

Aus meiner Sicht hat im Rahmen der Sozialforen der Prozeß des Gedanken- und Erfahrungsaustausches zwischen den sozialen Bewegungen gerade erst zaghaft begonnen. Dieser Prozeß würde zerstört, wenn wir uns schon wieder vorwiegend auf das Terrain der real existierenden Machthaber begäben. In dem Sinne habe ich in Caracas mit Argusaugen die Teilnahme von politischen Vertretern bis hin zu Ministern und Parteiführern auf den verschiedenen Foren beobachtet. Setzt sich dieser Prozeß fort, werden viele Basisaktivistinnen und -aktivisten wegbleiben.

F: Aus der Ferne konnte man den Eindruck bekommen, daß das WSF in Caracas sehr von Chávez dominiert war. Ist die Unabhängigkeit der Foren in Gefahr?

Jein. Wir wußten von Anfang an, daß dieses Forum in einem speziellen Umfeld stattfinden würde, und viele von uns wollten das auch bewußt erleben. Chávez spielte ganz sicher eine dominante Rolle, so wie auch die 800 kubanischen Delegierten. Und dennoch dürfen wir nicht übersehen, daß Chávez für viele Forumsbesucher eine Symbolfigur ist, die sie erleben wollten, und es ist hier nicht unbedingt der Ort, um über das Für und Wider von Symbolfiguren zu diskutieren. Aber darüber sollte nicht übersehen werden, daß es durchaus auch Chávez-kritische Foren gab, die das Verhältnis von sozialen Bewegungen und Staat reflektierten.

 

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