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Weltsozialforum als Laufsteg für Chávez

Mit einem "Marsch gegen Imperialismus und Krieg" wird am Dienstag in Venezuela das sechste Weltsozialforum (WSF) eröffnet. Der Präsident erwartet 100.000 Globalisierungsgegner in Caracas.

(von von Hanna Henkel, Rio de Janeiro, Karin Finkenzeller, Madrid, und Christoph Scheuermann, Berlin, Financial Times Deutschland)

Unter dem traditionellen Motto "Eine andere Welt ist machbar" werden in den kommenden Tagen über 100.000 vorwiegend jugendliche Teilnehmer in der venezolanischen Hauptstadt Caracas erwartet; das WSF ist eine Gegenveranstaltung zum Weltwirtschaftsforum in Davos.

Das vor sechs Jahren im Zuge der Protestwelle gegen die Globalisierung gegründete WSF bietet in diesem Jahr zudem die Bühne für Lateinamerikas erstarkende Linke: Politiker wie etwa der am Sonntag ins Amt eingeführte bolivianische Präsident Evo Morales werden sich als Helden der Anti-Globalisierungsbewegung feiern lassen. Erwartet werden Linksintellektuelle wie der uruguayische Schriftsteller Eduardo Galeano oder der argentinische Friedensnobelpreisträger, Adolfo Pérez Esquivel, aber auch die amerikanische Anti-Kriegs-Aktivistin Cindy Sheehan, deren Sohn im Irak getötet wurde.

Der Star der Veranstaltung dürfte der venezolanische Präsident und Gastgeber Hugo Chávez werden. Bereits auf dem WSF im vergangenen Jahr im südbrasilianischen Porto Alegre hatte der charismatische Linkspopulist die Teilnehmer in den Bann gezogen: "Wir werden diese Welt nur durch eine Revolution verändern. Lasst uns eine weltweite Verschwörung gegen den Neoliberalismus schmieden", wetterte Chávez.

In diesem Jahr könnte er die vermeintlichen Errungenschaften seiner "bolivarischen Revolution" preisen. Lateinamerikas wortgewaltigster Präsident schießt laut Medienberichten rund 10 Mio. $ zum WSF dazu; seine Regierung stellt zudem öffentliche Gebäude - darunter auch Ministerien - als Veranstaltungsorte zur Verfügung.

Chávez' Engagement für das WSF sowie der sich während des laufenden Wahlmarathons in Lateinamerika abzeichnende Erfolg der Linken dürften dem Forum neuen Schwung verleihen. 2005 hatte die Veranstaltung deutlich an Kraft eingebüßt. Verantwortlich dafür war die Enttäuschung über ihren ehemaligen Star, den brasilianischen Präsidenten Luiz Inacio Lula da Silva. Der ehemalige Arbeiterführer war nach seinem historischen Sieg bei den Präsidentschaftswahlen als Hoffnungsträger beim WSF 2003 bejubelt worden.

Doch seine hochfliegenden Versprechen hatte Lula, dessen Regierung inzwischen im Korruptionssumpf feststeckt, nicht halten können. Beim WSF 2005 war er bereits mit Buhrufen empfangen worden. Für dieses Jahr hat er seine Teilnahme vorsichtshalber abgesagt.

Luis Alberto Moreno, Präsident der interamerikanischen Entwicklungsbank (IADB), warnte jedoch davor, die Wirkungen der Wirtschaftsreformen in Lateinamerika in den vergangenen Jahren zu unterschätzen. Er stellt aber auch fest: "Die meisten Menschen sind müde von den Reformen." Es sei nun eine große Herausforderung der Regierungen, Alternativen zu bieten, sagte Moreno vor Journalisten in Berlin. Viele Lateinamerikaner würden die Vorteile des Wachstums nicht erkennen, doch "die meisten Menschen schätzen die Globalisierung. Keiner will zurück zur Planwirtschaft."

Der IADB-Präsident will die Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und privaten Investoren ausbauen und kleine und mittlere Unternehmen stärken. "Der Mittelstand schafft bei uns die meisten Arbeitsplätze - wie in Deutschland." Einen neuen Trend zur Verstaatlichung in Lateinamerika gebe es trotz des Linksrutsches nicht.

Jedoch hat nach Ansicht seines Amtsvorgängers Enrique Iglesias die Konzentration auf die Marktwirtschaft nach US-Vorbild in Lateinamerika versagt: "Man braucht einen aktiven Staat, nicht um den Markt abzuwürgen, aber um ihn zu kontrollieren und dort verantwortungsvoll präsent zu sein, wo es der Markt nicht ist", sagte Iglesias der FTD. Iglesias leitet seit vergangenem Herbst das Iberoamerikanische Generalsekretariat (Segib) in Madrid. Der Erfolg der Linken in Lateinamerika sei Ausdruck der Enttäuschung über das Versagen des Marktes. "Es gab keine schnelle soziale Dividende. Das ist es, was die Menschen ablehnen."

Allerdings sei die Region heute geprägt von "stabiler Haushaltspolitik und orthodoxer Währungspolitik". Dem fühlten sich auch linksgerichtete Präsidenten in Brasilien oder Bolivien verpflichtet: "Die heutige Linke unterstützt die Marktwirtschaft." Eine Gefahr für die politische und wirtschaftliche Stabilität Lateinamerikas sieht Iglesias deshalb nicht.

 

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