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Ein historischer Moment: „Q-Spot“ am Weltsozialforum in Nairobi

(von Ulrike Lunacek, Die Grünen)

Ein historischer Moment. Nein, ich spreche nicht von der Regierungserklärung der neuen SPÖ-ÖVP-Koalition am 16. Jänner. Die hätte für uns Lesben, Schwule und TransGender historisch werden können – wenn, ja wenn die SPÖ sich zumindest ein wenig an ihre Wahlversprechungen erinnert und entsprechend Druck auf die ÖVP gemacht hätte. Aber nein, die SoHo-Inserate im Wahlkampf mit Gusenbauers Versicherung, für eine Eingetragene Partnerschaft und sogar die Öffnung der Ehe einzutreten – auch im PRIDE – waren wie wir jetzt wissen das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt wurden: Nicht ein Wort davon steht im Regierungsabkommen. Und bei seiner Antrittsrede als Kanzler erklärte Gusenbauer, dass „auch die Frage der diskriminierungsfreien rechtlichen Ausgestaltung von gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften zu diskutieren sein“ wird. Herr Bundeskanzler, diskutiert wurde in der Vergangenheit genug, Taten sind gefragt.

Nein, der historische Moment, auf den ich mich beziehe, fand von 21. bis 24. Jänner 2007 in Nairobi, Kenia, im Rahmen des Weltsozialforums (WSF) statt: GALCK, die „Gay and Lesbian Coalition of Kenya“, hatte ein beeindruckendes Programm für den „Q-Spot“ (stand für Queer-Spot) zusammengestellt. Sowohl bei der Veranstaltung „Reclaiming our Sexualities“ als auch bei der zu „Sex, Law and Human Rights“ war das Zelt voll: Sylvia Tamale, Dekanin der Rechtsfakultät an der Universität in Uganda, sprach vom „historischen Moment“, den die rund 200 Personen im Saal erlebten: Noch nie habe es in Afrika ein derartiges „Meer von schwarzen Gesichtern“ gegeben, die in einem öffentlichen Raum zusammengekommen seien – einige wohl aus Neugier oder sogar Ekel –, um öffentlich über gleichgeschlechtliches Lieben zu sprechen.

Entsprechend waren auch die Fragen. Einer wollte wissen, wie lesbisches und schwules Leben mit der Tatsache in Einklang zu bringen sei, dass Gott Mann und Frau geschaffen habe, mit dem Ziel der Fortpflanzung. Der indische Anwalt Alok Gupta gab die Frage provokant an den Saal zurück: „Wie oft haben die Heteros unter Ihnen Sex mit dem Ziel, Kinder in die Welt zu setzen? Sie machen’s wohl meistens auch aus Lust und Begehren!“ war er sich sicher. Auf das Argument, das von vielen – auch noch regierenden Staatschefs wie Mugabe (Simbabwe) und Museveni (Uganda) – gerne gebraucht wird, Homosexualität sei von den Kolonialherren auf den Kontinent gebracht worden und sei daher unafrikanisch, konterte Sylvia Tamale mit: „Werft das Argument des ‚Unafrikanisch-Seins’ aus dem Fenster! Was unafrikanisch ist, ist das Christentum!“ Damit hatte sie die Lacher auf ihrer Seite.

Die positive Stimmung hielt auch bei der Demonstration rund ums Stadiongelände an: Gemeinsam mit den Feministinnen wurde der in Südamerika geprägte Kampagnen-Slogan „Dein Mund ist fundamental gegen Fundamentalismen“ auf großen Papp-Mündern als Sonnenschutz getragen. Und nach all dem vielen Reden über Sex fand sich die Erinnerung auf einem Transparent, dass es bei Homosexualität nicht nur um Sex, sondern auch um Liebe geht.

Kurz gefasst: Der Slogan des Weltsozialforums „Eine andere Welt ist möglich“ galt auch für die Sehnsucht von Lesben, Schwulen, TransGender und Intersexuellen nach einem Leben in Freiheit und ohne Unterdrückung. Der entstandene Enthusiasmus ist vor allem für die afrikanischen AktivistInnen ein tatsächlich historischer Mutmacher: Denn in Kenia und in Uganda sowie in vielen anderen Staaten des Kontinents drohen offen lebenden Lesben und Schwulen mehrere Jahre Gefängnis – in einigen Staaten im Norden Nigerias sogar die Todesstrafe. Und dennoch kämpfen und lieben sie, mit Humor, Leidenschaft und Überzeugung.

Ihnen gehört mein ganzer Respekt.

(Ulrike Lunacek ist offen lesbisch lebende Nationalratsabgeordnete und außen- und entwicklungspolitische Sprecherin der Grünen in Österreich)


 

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