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Berichte

»Die Vielfalt soll erhalten bleiben«

In Nairobi endete das 7. Weltsozialforum. Diskussion um Zukunft des Treffens. Ein Gespräch mit Dorothea Härlin

(von Wera Richter, junge Welt)

Am Donnerstag ging das 7. Weltsozialforum (WSF) in Nairobi zu Ende. Welche Rolle hat der afrikanische Kontinent auf dem Treffen gespielt?

Afrika hat insgesamt nicht die Rolle gespielt, die es hätte spielen sollen. Das wurde am Mittwoch auf der abschließenden Versammlung der Bewegungen auch mehrfach kritisiert. Es gab viele Veranstaltungen, die fast ausschließlich von Weißen besucht, und andere, die mehrheitlich von Schwarzen wahrgenommen wurden. Die waren dann oft von den Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und von kirchlichen Gruppen organisiert, deren Dominanz vielfach kritisiert wurde. Dadurch ist der Dialog sicher zu kurz gekommen. Zum Teil konnte dieses Mißverhältnis am letzten Tag korrigiert werden.

Auf welche Weise?

Die abschließende Versammlung der Bewegungen war im Vergleich zu vorangegangenen Weltsozialforen sehr viel besser. Dort waren etwa 80 Prozent der Redner Afrikaner und vor allem Afrikanerinnen. Dadurch wurde das Treffen dann sichtbar afrikanisch. Die Schuldenfrage hat dabei eine große Rolle gespielt und, was in Deutschland noch kaum angekommen ist, die Ablehnung des geplanten Freihandelsabkommens zwischen der Europäischen Union und Afrika, genannt EPA.

Es gab Konflikte über die Eintrittspreise. Konnte die Bevölkerung überhaupt teilnehmen?

Das war ein großes Problem. Der Eintritt kostete 500 Schilling, das sind etwa fünf Euro, da war der Bus zum Veranstaltungsort noch gar nicht bezahlt. Deshalb fand zeitgleich ein »People’s Parliament« für Slumbewohner statt. Eine Protestdemonstration von dort zu einem der Foren hat dann erreicht, daß viele Kenianer am Ende doch noch umsonst reinkamen. Eine Forderung von dem neu gegründeten afrikanischen Wasserforum lautet, daß künftige Sozialforen als »open space« für alle zugänglich sein müssen.

Ich habe diese Ausgrenzung der Armen, über die wir auf den Treffen ja sprechen, zwar ähnlich schon auf den Weltsozialforen in Porto Alegre und Caracas erlebt. In Nairobi ist dieses Problem zum ersten Mal richtig thematisiert worden; aber die Tatsache, daß die Kenianer am Ende umsonst reinkamen, sehe ich dann schon als Fortschritt an.

Resultiert aus solchen Kritikpunkten die begonnene Diskussion über die Zukunft des WSF?

Die Diskussion dreht sich darum, ob das WSF als »open space« und als Ort der Vernetzung, wie es ursprünglich angelegt war, beibehalten werden soll. Alternativ dazu wird diskutiert, das Forum zu einem politischen Akteur zu entwickeln, der versucht, zu bestimmten Themen gemeinsame Strategien zu erarbeiten. Die Mehrheit tendiert in meiner Beobachtung deutlich zum Erhalt des »open space«. Ich sehe diesen Widerspruch auch nicht so stark. Im Laufe der sieben Jahre der WSF-Bewegung haben sich bestimmte Bereiche herauskristallisiert, wo sich die Zusammenarbeit vertieft hat und wo auch gemeinsame Forderungen entstanden sind.

Zum Beispiel?

Zum Beispiel zu Themen wie Steuergerechtigkeit, Schuldenerlaß und Gesundheit. Ich kann das am Beispiel des Themas Wasser erläutern, weil ich dort seit 2001 aktiv bin. Dazu haben wir mit 63 Organisationen auch eine eigene Abschlußveranstaltung mit zwölf sehr konkreten Verabredungen gehabt. Eine davon ist, daß das Problem bei den Protesten gegen den G-8-Gipfel in Heiligendamm thematisiert wird. Eine solche Vertiefung ist kein Widerspruch zum »open space«.

Ist das die Mehrheitsmeinung?

Diejenigen, die die Themenvielfalt einschränken wollen, waren in der klaren Minderheit. Das WSF läßt sich in meinen Augen auch nicht eingrenzen. Wer will sagen, daß EPA wichtiger als Wasser ist oder Krieg wichtiger als Privatisierung oder Migration? Eine große Mehrheit ist der Meinung, daß das WSF kein handelnder Akteur ist, sondern der Rahmen, wo wir uns austauschen und absprechen, wo wir auch Kraft schöpfen, um dann im eigenen Land tätig zu werden.

Wie geht es nun weiter?

2008 wird es kein WSF geben, sondern parallel zum Weltwirtschaftsforum in Davos einen Aktionstag oder eine ganze Woche, in der vor Ort die unterschiedlichsten Aktionen organisiert werden. Das soll sehr vielfältig werden, und es wird in dem Rahmen auch größere Veranstaltungen geben. In Porto Alegre wollen wir zum Beispiel zu diesem Zeitpunkt ein weltweites Wasserforum organisieren. Ähnliches kann auch zu anderen Schwerpunkten zustande kommen. Gleichzeitig soll es in allen Städten Aktivitäten zu den unterschiedlichsten Themen geben.

Was bedeutet »nach dem WSF im eigenen Land tätig zu werden« für Attac Deutschland?

Es ist uns zum Beispiel gelungen, die Proteste gegen den G-8-Gipfel im Sommer in Heiligendamm hier auf dem Forum als eine der kommenden großen Aktionen der WSF-Bewegung einzubringen. Heiligendamm wird also ein weiterer Meilenstein sein, wo wir uns treffen. Wir konnten viele Leute für die Teilnahme gewinnen und müssen jetzt überlegen, wie wir einigen aus Afrika, Asien und Lateinamerika die Anreise finanziell ermöglichen.

(Dorothea Härlin hat für das globalisierungskritische Netzwerk ATTAC am 7. Weltsozialforum in Nairobi teilgenommen, das am Donnerstag zu Ende ging.)

 

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