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Berichte

Gerechte Globalisierung

Weil sie kein Naturphänomen sei, müsse Globalisierung nicht zwangsläufig zu ungerechtem Welthandel, Sozialabbau und Umweltzerstörung führen, schreibt Ulla Lötzer (Die Linke.) in ihrem Namensbeitrag. Dazu bedürfe es jedoch einer grundsätzlichen Umorientierung in der Wirtschafts-, Finanz- und Handelspolitik

(von Ulla Lötzer, politikerscreen.de)

"Vielfach wird die neoliberale Globalisierungspolitik als Sachzwang dargestellt. Nur wer bei der Konkurrenz um Weltmarktanteile die beste Startposition habe, heißt es, könne gewinnen. „Beste Startposition“ ist dabei in den Industrieländern gleichbedeutend mit der Aufgabe von Sozialstandards, mit Reallohnsenkungen, mit der Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge und dem Abbau von Umweltstandards.

Tatsächlich ist sie auch in hohem Maße Ergebnis einer Politik, die mit der Liberalisierung der Finanzmärkte und der Güter- und Dienstleistungsmärkte diese Sachzwänge selbst schafft.

Diese Politik orientiert sich rein an Wettbewerbsfähigkeit und den Interessen der großen Konzerne und Finanzmarktakteure und reguliert bzw. dereguliert in ihrem Sinne. Menschen, Länder und Ländergruppen werden sozial und wirtschaftlich marginalisiert. An die Stelle wohlfahrtsstaatlichen Ausgleichs durch Politik, tritt das Leitbild des Wettbewerbsstaates.

Weitreichende Entscheidungen werden von nationalen und demokratisch kontrollierbaren Institutionen auf internationale Regierungskonferenzen und in internationale, mehr oder weniger legitimierte Gremien und informelle Zirkel verlagert. Nehmen wir das Beispiel G8. Die Regierungen der wirtschaftlich mächtigsten Staaten beanspruchen dort eine Führungsrolle für die internationale Wirtschaft und Politik. Auf Grund von was sind sie legitimiert? Durch nichts als Macht. Damit schwächen sie natürlich gerade auch die UNO und ihre Organisationen. Auch das werden wir anlässlich des G8-Gipfels in Heiligendamm wieder deutlich machen.

Weil sie kein Naturphänomen ist, muss Globalisierung nicht zwangsläufig zu ungerechtem Welthandel, Sozialabbau und Umweltzerstörung führen. Dazu bedarf es jedoch einer grundsätzlichen Umorientierung in der Wirtschafts-, Finanz- und Handelspolitik. Dazu bedarf es einer Stärkung und Demokratisierung der UNO und Demokratisierung internationaler Organisationen.

Die Finanzmärkte müssen wieder stärker reguliert werden

Die modernen Kapitalmärkte sind überliquide, globalisiert, und dominiert durch Finanzanlagen und Handel mit Finanztiteln. Eine schon seit vielen Jahren erhobene und immer noch richtige Forderung ist die nach einer Entschleunigung der Finanztransaktionen. Kurzfristige Spekulationen müssen durch eine Einführung einer Devisentransaktionsteuer (Tobin-Steuer) eingeschränkt werden.

Ein großes Problem, sowohl für die Stabilität der internationalen Finanzmärkte als auch für eine verantwortliche Unternehmenspolitik, sind die so genannten Heuschrecken wie Hedge Fonds und Private Equity Fonds. Renditeerwartungen von 15 Prozent aufwärts werden durch Orientierung am Shareholder Value, durch Arbeitsplatzabbau oder Ausschlachten von Unternehmen erzielt. Eine Geschäftspolitik, die weder einer mittelfristigen Perspektive des Unternehmens, weder der Arbeitsplatzsicherung noch der Binnennachfrage oder gar irgendwelchen gesamtgesellschaftlichen Zielen dient. Sie dient einzig und allein der Gewinnerzielung der Fondseinleger und muss deshalb eingedämmt bzw. untersagt werden muss.

Ansatzpunkte dafür gäbe es viele, wie z.B. die Abschaffung der Steuerfreiheit für Veräußerungsgewinne, das Verbot von Sonderdividenden und sonstiger Kapitalentnahme durch Private-Equity-Investoren, die Beschränkung der Kreditfinanzierung von Käufen durch Private-Equity- oder Hedge-Fonds-Investoren, die positive Diskriminierung langfristiger Wertpapierhaltung (Doppelstimmrecht, Einsatz des Stimmrechts erst nach einem Jahr), das Verbot für Pensionsfonds und Versicherungen der Kapitalanlage bei Private-Equity- oder Hedge-Fonds, sowie die Verbesserung der öffentlichen Finanzierungsmöglichkeiten für KMU, damit diese nicht auf solche Fonds angewiesen sind.

Entwicklung braucht die Entfaltung der Binnenkräfte

Sowohl im Rahmen der WTO, als auch in bilateralen Verhandlungen drängen die Industrieländer auf eine weitgehende Öffnung der Märkte von Entwicklungs- und Schwellenländern und die Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge. Dies reicht von Forderungen nach massiven Zollsenkungen bis hin zu Forderungen nach umfangreichen Investitionsschutzabkommen. Wenn es allerdings um den Abbau eigener Schutzmechanismen und Subventionen geht, sind die Industrieländer weniger radikal. So geht der Abbau der für die Landwirtschaft der Entwicklungsländer katastrophalen Agrar-Export-Subventionen in den Industrieländern höchst zähflüssig voran.

Viele Länder brauchen Schutzzölle und andere regulative Maßnahmen, um ihre jungen Industrien zu fördern und vor dem Wettbewerb mit entwickelten Industrien zu schützen. Deregulierte Märkte können zu einer De-Industrialisierung und Erhöhung der Arbeitslosigkeit in den Entwicklungsländern führen.

Deshalb fordern wir eine Abkehr von den aggressiven Marktzugangsstrategien wie z.B. der Global Europe Strategie der EU-Kommission oder die Durchsetzung von Investitionsfreiheit der Konzerne beim G8-Gipfel. Ein fairer Handel braucht faire Abkommen auf gleicher Augenhöhe, nicht ein Aufbrechen von Märkten einseitig zugunsten der Transnationalen Unternehmen der Industrieländer. Die Politik muss sich an den Bedürfnissen der Menschen orientieren. Sie muss die demokratische Kontrolle zurückerobern, Investitionen von Konzernen und Finanzmarktakteuren in soziale und ökologische Verantwortung einbinden und verbindliche Sozial- und Umweltstandards einführen, statt sich in scheinbare Hilflosigkeit zu flüchten. Maßnahmen zur Stärkung der öffentlichen Daseinsvorsorge sind notwendig. Sie darf nicht einer neoliberalen Ideologie folgen, die Wohlstand für alle verheißt und zur Not für Viele wird.

"Exportweltmeister" – ein Irrweg für Stabilität und Arbeitsplatzsicherung

Der Außenhandel kann den Binnenmarkt als Grundlage für eine vernünftige wirtschaftliche Entwicklung nicht ersetzen. Grundpfeiler einer gesunden Wirtschaft ist eine ausreichende Binnennachfrage. Und eine ausreichende Binnennachfrage wird durch die Anpassung der Reallöhne an die Produktivkraftentwicklung erzielt. Seit Jahren wird jedoch suggeriert, man stünde in Deutschland in direkter Lohnkonkurrenz mit Ländern, in denen die Menschen 1.-€ am Tag verdienen. Mit Verweis auf die internationalen Standortkonkurrenz werden Normalarbeitsverhältnisse aufgelöst, die Reallöhne nach unten gedrückt und ein riesiger Niedriglohnsektor aufgebaut. Doch was erreicht man damit? Einerseits kann der Lohn schlichtweg nicht auf das Niveau von Entwicklungsländern gedrückt werden, andererseits wird damit die Binnennachfrage abgewürgt. Wer immer weniger Geld für die dringenden Bedürfnisse des täglichen Lebens hat, kann sich anderes schlichtweg nicht mehr leisten.

Anstatt des kontinuierlichen Abbaus der Binnennachfrage braucht es die Eindämmung des Niedriglohnsektors durch einen gesetzlichen Mindestlohn, die Beteiligung der Beschäftigten an den Gewinnzuwächsen der Unternehmen durch adäquate Lohnsteigerungen, sowie die Einführung von Instrumenten gegen Massenentlassungen bei gleichzeitigen Unternehmensgewinnen. Auch hier gibt es verschiedene mögliche Instrumente wie die Zustimmungspflichtigkeit von Interessenausgleich und die Einführung einer Verlagerungsabgabe, das Verbot von Massenentlassungen bei profitablen Unternehmen und die Ausweitung des Kündigungsschutzes.

Auch im internationalen Kontext ist das Setzen auf immer steigende Exportüberschüsse nicht wünschenswert. Denn, wo auf der einen Seite Überschüsse sind, müssen auf der anderen Seite Defizite sein. Das schafft schon heute sowohl in Europa als auch global Ungleichgewichte, die auf Dauer zu massiven Konflikten eskalieren können."

(Ulla Lötzer, MdB (Die Linke.PDS), ist Sprecherin für internationale Wirtschaftspolitik und Globalisierung der Bundestagsfraktion DIE LINKE.)

 

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