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Vergesst Nairobi!

Der zwölftägige Klimagipfel in Afrika hat so gut wie nichts zum Kampf gegen die globale Erderwärmung beigetragen. Es sind vor allem die Altindustrienationen, die sich vor der Verantwortung drücken. Ein Kommentar

(von Fritz Vorholz, Die Zeit)

Wer vor zwei Wochen, kurz vor Beginn der Weltklimakonferenz in Nairobi, gehofft hatte, das Konklave der Diplomaten und Minister würde irgendwelche Entscheidungen treffen, die den bedrohlichen Anstieg der Erdtemperatur bremsen könnten, war entweder ein unverbesserlicher Optimist oder ahnungslos. Die Versammlung in Kenias Hauptstadt hatte gar nicht das Mandat dafür. Nun geht das zweiwöchige Event zu Ende – und der weltweite Ausstoß von Treibhausgasen steigt weiter. So, als wäre nichts geschehen.

Überraschend ist der Vorgang zwar nicht, bemerkenswert aber schon. Denn die Erkenntnisse über die Ursachen des Klimawandels haben sich zur Gewissheit verdichtet, seine ersten Folgen sind erkennbar. Es ist mittlerweile auch klar, dass Klimaschutz billiger ist als unterlassener Klimaschutz – und dass die Bestimmungen des Kyoto-Protokolls vollkommen unzureichend sind. Die weltweiten Treibhausgas-Emissionen werden bis 2012, wenn die Abmachung von 1997 ihre Gültigkeit verliert, um rund 40 Prozent höher sein als 1990, dem Bezugsjahr der Vereinbarung.

Dass die Delegierten in Nairobi trotzdem nicht für mehr Konsequenz in der Klimapolitik sorgen konnten, hat zwei Gründe: einen banalen und einen komplizierten.

Der banale: Die Klimakonferenz des vergangenen Jahres in Montreal versäumte es, der Nairobi-Konferenz die Verhandlungen über ein Nachfolgereglement des Kyoto-Protokolls aufzutragen. Ohne einen solchen Auftrag – ohne "Mandat", wie es im Diplomatenjargon heißt – gibt es aber nichts zu verhandeln; nicht umsonst ging der Einigung auf das Kyoto-Protokoll Ende 1997 zwei Jahre zuvor das "Berliner Mandat" voraus, das die nachfolgenden Klimakonferenzen mit der Ausarbeitung einer konkreten Klimaschutzvereinbarung in aller Form beauftragte. In Nairobi waren die Delegierten nur berechtigt, reichlich unverbindliche Debatten in Workshops und Foren zu führen.

Die komplizierte Ursache: Mittlerweile ist klar, dass die Industriestaaten allein das Klima nicht werden retten können. Schwellenländer wie China, Indien und Brasilien müssen beim Klimaschutz mitmachen; allein Chinas Treibhausgas-Ausstoß steigt mit beängstigender Geschwindigkeit und wird schon in Kürze höher sein als derjenige des größten Luftverschmutzers: der Vereinigten Staaten. Nur stimmt eben auch, dass der bisher zu kurz gekommene Teil der Menschheit so gut wie nichts zur bereits messbaren Erderwärmung beigetragen hat. China & Co. verlangen deshalb zu Recht Vorleistungen der altindustrialisierten Länder. Doch genau diese Vorleistungen bleibt man, von wenigen Ausnahmen abgesehen, bisher schuldig. Die USA und Australien haben das Kyoto-Protokoll nicht einmal ratifiziert, die Europäer sind mit ihren Verpflichtungen fast hoffnungslos in Rückstand.

Diese Verteilungsfragen sind der eigentliche Grund für den Stillstand der internationalen Klimapolitik. Sicher, es schadet nicht, sich zu treffen, miteinander zu reden und Vertrauen zu schaffen. Das ist aus anderen internationalen Verhandlungsprozessen, beispielsweise aus den Abrüstungsverhandlungen, bekannt. Es schadet auch nicht, Vorkehrungen für den bereits eingetretenen und in Zukunft nicht mehr abwendbaren Klimawandel zu treffen; es ist sogar ein Gebot der Vernunft und der Gerechtigkeit. Dass sich die Klimadiplomaten vor 5 Jahren auf die Einrichtung eines "Anpassungsfonds" geeinigt haben, dass sie die Modalitäten der Mittelvergabe nun in Nairobi etwas konkretisiert haben, ist deshalb ein Erfolg. Aber eben ein allzu bescheidener.

Trotzdem, es gibt Zeichen der Hoffnung. Das Grüppchen jener wächst, die sich in den USA für mehr Klimaschutz stark machen. Der jüngste Beleg dafür: Drei Senatoren haben sich Mitte der Woche schriftlich an US-Präsident George Bush gewendet; sie machen sich für die "verpflichtende Begrenzung des Treibhausgas-Ausstoßes" stark. In Australien, dem zweiten Kyoto-Gegner unter den Industriestaaten, vermittelt derzeit die Jahrhundertdürre einen neuen Blick auf das Problem der Erderwärmung. Die chinesische Regierung weiß genau, dass über ihre Zukunft auch die Energiefrage mitentscheidet; sie ist deshalb bemüht, die Effizienz von Kohle, Öl und Gas zu erhöhen. Die deutsche Regierung schließlich ist fest entschlossen, der internationalen Klimapolitik in den kommenden Monaten zu neuem Schwung zu verhelfen. Während ihrer EU-Präsidentschaft in der ersten Hälfte des kommenden Jahres will sie erreichen, dass Europa den Vorschlag eines Verhandlungsmandats für die Zeit nach 2012 in die diplomatische Maschinerie einspeist.

Glaubwürdig ist das deutsche Engagement allerdings nur, wenn es durch Taten gedeckt ist. Genau da aber sind Zweifel angebracht. Die Ausführungsbestimmung zum Emissionshandel, der so genannte Allokationsplan, zeugt nämlich gerade nicht von entschlossener Klimaschutzpolitik. Es ist sogar nicht ausgeschlossen, dass die EU-Kommission deshalb demnächst den deutschen Plan zurück weist. Wie aber will Umweltminister Sigmar Gabriel seine EU-Partner von konsequenterem Klimaschutz überzeugen, wenn er als jemand dasteht, der seine Hausaufgaben nicht macht? Schauplatz der nächsten Klimaschutz-Etappe dürfte sein Ministerium am Alexanderplatz sein.

Von Nairobi nach Berlin, die globale Politik hat viele Windungen. Fast ließe sich sagen: Vergesst Nairobi – und hofft auf Berlin. Und auf die Klimakonferenz des kommenden Jahres.

 

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