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Berichte

Francisco Whitaker Kapitalismuskritiker und Initiator des Weltsozialforums

Finanzmarktkrise: Risiko - und Chance

(von Peter Burghardt, Süddeutsche Zeitung)

Der Mitgründer bemühte eine asiatische Weisheit, als er den Unterschied zwischen seinem Weltsozialforum in Belém und dem Weltwirtschaftsforum in Davos darstellen wollte. Bei den Chinesen habe das Wort Krise zwei Bedeutungen, erläuterte Francisco Whitaker: Risiko - und Chance. "In Davos ist das Gefühl des Risikos zu sehen, das System erschöpft sich. Hier in Belém sehen wir die Gelegenheiten, die Auswege, die Suche." Für den Brasilianer findet der Kapitalistengipfel "in einem Ambiente der Niederlage statt". Diejenigen, die sich dort versammelten, seien "schuld an der Finanzkrise", schimpft der katholische Aktivist aus Sao Paulo. "Wir hatten recht, als wir ihnen 2001 sagten, eine andere Welt sei möglich."

Dieser Satz ist seit seinen Anfängen das Motto des Weltsozialforums, für das der 77 Jahre alte Whitaker verantwortlich zeichnet. Das Treffen am Amazonas vereint auch beim neunten Mal Zehntausende Globalisierungskritiker, und es schließt sich ein Kreis: Nach Jahren der Wanderschaft tagt die Gegenveranstaltung zur Managerrunde von Davos wieder in ihrem Ursprungsland Brasilien.

Die ursprüngliche Euphorie der Globalisierungskritiker war zeitweilig etwas verflogen, doch derzeit geben die Stürme der Gegenwart dem Forum wieder immensen Rückenwind. Man werde eine andere Welt bauen, verkündete Whitaker nun euphorisch, weil diese Welt so nicht mehr funktioniere.

Zweifel an der Welt, wie sie ist, plagen Francisco, genannt Chico Whitaker seit mehr als einem halben Jahrhundert. Nach dem Architekturstudium beschäftigte sich der Freigeist mit Stadtplanung und unterstützte Befreiungstheologen wie Leonardo Boff. Während in Brasilien eine Militärdiktatur an der Macht war, verbrachte der Dissident 16 Jahre im Exil in Chile und Frankreich und war in Paris Projektleiter des Katholischen Komitees gegen Hunger und für Entwicklung. Nach seiner Rückkehr wurde Whitaker Generalsekretär der Kommission für Frieden und Gerechtigkeit in der brasilianischen Bischofskonferenz, er sammelte Unterschriften gegen Korruption und Stimmenkauf. Vor acht Jahren rief er das Weltsozialforum ins Leben und bündelte damit seine Erfahrungen: "Es gibt viel mehr Menschen, als wir uns vorstellen können, die die Dinge ändern wollen. Wir müssen die Wege und Möglichkeiten multiplizieren, um zusammenzufinden." 2006 bekam Whitaker den Right Livelihood Award, eine Art Nobelpreis für Querdenker.

Von 1986 bis 1996 saß der Vater von vier Kindern für die Arbeiterpartei PT im Stadtrat von Sao Paulo. 2006 erklärte er, wie zuvor schon andere enttäuschte Linke, seinen Austritt aus der PT. Der Rückzug war ein Protest gegen Bestechungsaffären und die marktfreundliche Politik von Staatschef Luiz Inacio Lula da Silva. In Whitakers Augen hat der frühere Gewerkschaftsführer Lula seine Wurzeln verraten; er unterwerfe, klagt der Sozialreformer, auch die Natur dem Kapital. Zwar besucht der sonst so umschwärmte Lula anstelle von Davos diesmal Belém, doch Whitaker warnt: Geladene Präsidenten seien willkommen, aber sie sollten sich nicht zu sehr einmischen.

 

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