zur Startseite
Das deutschsprachige Informationsportal
zur weltweiten Sozialforum-Bewegung
zur Startseite zur Startseite
| Aktuell  | Termine  | Links  | Forum  | Feedback  | Newsletter  | Suche: 
 
Schnell-Info
zurück zur Startseite

Berichte

"Gott Markt ist bankrott"

Die Botschaft des Weltsozialforums nach Davos

(von dpa, Süddeutsche Zeitung)

In der Krise scheint die Front der sonst oft zerstrittenen Präsidenten Südamerikas zu stehen. Die beim Weltsozialforum versammelten fünf Staatschefs aus Brasilien, Venezuela, Paraguay, Ecuador und Bolivien schickten ihren in Davos tagenden 40 Amtskollegen eine Botschaft aus der Amazonas-Stadt Belém. Der Kern lautet: "Die Krise ist von den Industrieländern hausgemacht, Marktregulierung tut not und wir wollen mitreden." Diese Aussage dürfte die Mehrzahl der 100 000 Teilnehmer, darunter Soziologen, Theologen, Amazonas-Ureinwohner, Gewerkschafter und Globalisierungsgegner mittragen.

Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, eher Pragmatiker denn linksgerichteter Staatenlenker, schloss sich mit klaren Worten der Fundamentalkritik von Hugo Chávez (Venezuela) und Rafael Correa (Ecuador) an. "Die Krise entstand, weil während der 80er und 90er Jahre die Logik galt, der Staat könne nichts und der "Gott Markt" werde das Land entwickeln und soziale Gerechtigkeit schaffen. Dieser "Gott Markt" ist wegen fehlender Kontrolle und wegen Unverantwortlichkeit bankrottgegangen." Dann schimpfte er noch auf die Weltbank und den Währungsfonds und spielte den Ball ins tausende Kilometer entfernte Davos. Dort säßen schließlich die, die die Krise geschaffen hätten.

Kritik und Appell

Die Vorlage hatte zuvor Chávez geliefert, der mit Blick auf das weltweite Krisenszenario in Davos die "sterbende" und in Belém die neue Welt versammelt sah. Correa sprach von einem "perversen System, das auf Gier basiert". Alle fünf Präsidenten sind der Überzeugung, dass der Staat die Zügel stärker in die Hand nehmen muss. In Brasilien, dem fünftgrößten Land und der zehntgrößten Volkswirtschaft der Erde, hat "Lula" nach Beginn der Krise und nach anfänglichem Zögern gezeigt, was er meint.

Milliarden-Kreditpakete für die Wirtschaft wurden geschnürt, die Steuern auf Industrieprodukte und auch die Leitzinsen gesenkt, der Haushalt gekürzt, die Sozialausgaben für die Familienunterstützung dagegen erhöht. Ultralinke Forumsteilnehmer bemängelten aber, Lula gebe Milliarden an Banker und Unternehmer, tue dagegen nichts für die Sicherheit der wegbrechenden Arbeitsplätze in Brasilien, wo allein im Dezember 655 000 Stellen fortfielen. Diese Kritik an die Adresse aller Staatenlenker vor allem in den Industrieländern war oft in den Veranstaltungen des noch bis Sonntag dauernden 9. Weltsozialforums zu hören.

Viele fragen sich, wo die Beträge zur Stützung der nationalen Volkswirtschaften herkommen. "Es wurde uns immer gesagt, die Mittel seien begrenzt. Jetzt plötzlich in der Krise tauchen Billionen von Dollar auf, um Autobauern, Banken und bankrotten Firmen zu helfen, und die genutzt werden könnten, um Armut zu bekämpfen und das Gesundheits- und Bildungswesen zu verbessern", wunderte sich einer der Begründer des Weltsozialforums, der Brasilianer Oded Grajew. Zwar bleibt dem Forum, das sich als Ideenschmiede für alternative Lebens- und Regierungsformen versteht, auch bei seiner 9. Auflage nur das Mittel der Kritik und des Appells. Aber dieses Jahr besteht die Hoffnung, dass die Botschaften aus Belém durch den Schrecken der Krise Gehör finden.

 

« zurück zur Übersicht