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Berichte

"Retten wir den Regenwald!"

Die Situation in Amazonien war diese Woche beim Weltsozialforum in Belém ein wichtiges Thema. Einwohner aus dem tropischen Urwaldgebiet kamen in Scharen, um über die rücksichtslose Erschliessung ihres Landes zu reden und sich für den Erhalt ihres Habitats einzustehen



(von Daniele Mariani, swissinfo)

Belém - Ich bin gekommen, um für die Sache der Frau einzustehen und die Natur zu verteidigen", sagt Feliciana, eine ältere Frau aus Peru. Sie ist in der traditionellen Kleidung ihres Volkes erschienen.

Viele Bewohner des Amazonasgebiets sind wie Feliciana zum Weltsozialforum gekommen, um ihre Stimme zu erheben. Sie kommen aus Brasilien, wo das WSF stattfindet, aber auch aus Französisch-Guayana, Bolivien, Kolumbien und Ecuador.

Diese Menschen machen lieber mit Gesang und Tanz auf ihre Probleme aufmerksam als mit langen Reden. Wie beispielsweise eine Gruppe aus Rio Madeira in Peru, die in einer tänzerischen Aufführung über die Landverteilung durch die Minengesellschaften spricht.

Oder wie Vertreter vom Indiostamm der Tucurui im brasilianischen Bundesstaat Pará, welche die hydroelektrischen Anlagen thematisieren, die das ökologische Gleichgewicht im Amazonas-Gebiet bedrohen.

Man spricht über Rodung, Gewalt, Enteignung und die Unmöglichkeit, ein eigenes Stück Land zu ergattern. Im Amazonas-Gebiet gibt es viele wirtschaftliche Interessen.

Situation verschlechtert sich

Mit der Wahl von Luiz Inácio Lula zum brasilianischen Präsidenten vor sechs Jahren waren grosse Hoffnungen verbunden. Doch der Führer der Arbeiterpartei hat die Erwartungen vieler Menschen nicht erfüllt.

"Für Lula und seine Regierung ist Ökologie vor allem ein Hindernis für die Entwicklung des Landes", meint der Befreiungstheologe Leonardo Boff, der sicherlich nicht als Widersacher des Präsidenten bezeichnet werden kann.

Die Politik des brasilianischen Staates, Biotreibstoffe zu erzeugen und auf den verstärkten Export von Rindfleisch zu setzen, habe die Situation noch verschärft.

Die Schweizer Delegation am Weltsozialforum konnte sich in Ulianopolis, 400 Kilometer südlich von Belém, selber ein Bild von dieser Entwicklung machen: In dieser Gegend gingen in den letzten Jahren rund 18'000 Quadratmeter Regenwald verloren. Dies entspricht rund einem Drittel der ganzen Schweiz.

Regenwald verschwindet


In Ulianopolis arbeiten die Sägereien auf vollen Touren. Hunderte von Kohleöfen sind im Einsatz. Dichter Rauch steigt auf. Der Rohstoff wird zu den Stahlfabriken nach Rio Doce gebracht. Sie sind Hunderte von Kilometern entfernt.

"Um einen Ofen mit Holz zu füllen, bin ich einen Tag im Einsatz und verdiene 8 Reais", sagt ein Arbeiter. Dies entspricht vier Franken und liegt weit unter dem gesetzlichen Mindestlohn von 415 Reais pro Monat.

Überall sieht man Rinderaufzuchten, Sojafelder, Zuckerrohr und Eukalyptus (wird zur Herstellung von Zellulose verwendet). Pestizide und Düngemittel werden hier in Hülle und Fülle eingesetzt.

Nur am Horizont kann man den Regenwald erspähen. Die Waldrodung ist hier allenthalben sichtbar. In einem frisch gesäten Feld entdecken wir merkwürdige Buckel. Es sind die Reste von Bäumen, deren Wurzeln häufig nicht ausgerissen werden können. Sie werden mit etwas Erde überdeckt.

Einfluss auf Menschenrechte

Die grüne Parlamentariern im jurassischen Parlament, Erica Hennequin, kennt die Umweltschäden, die durch Monokulturen und die extensive Tieraufzucht verursacht werden: "Man braucht zu viele Pestizide und Düngemittel. Nur die Grossgrundbesitzer profitieren davon", betont sie.

"Ich habe bisher aber nicht gewusst, dass diese Art der Landwirtschaft auch einen direkten Einfuss auf die Menschenrechte hat", meint Hennequin. Eine Nichtregierungs-Organisation (NGO) hätte sie jetzt darauf aufmerksam gemacht.

Der Vertreter der brasilianischen NGO "Pastorale Kommission" bestätigt dies: "Wir konnten eine direkte Beziehung der Ausweitung von Zuchtbetrieben und ländlicher Gewalt feststellen."

Grossgrundbesitzer und Grossunternehmungen schrecken nicht davor zurück, gefälschte Eigentumsurkunden in Umlauf zu bringen und sogar Gewalt anzuwenden, um unerwünschte Kleinbauern umzusiedeln.

Dabei wollen selbst die radikalsten Gegner dieser Politik das Amazonas-Gebiet keineswegs in ein "Indianer-Reservat" verwandeln. Doch wirtschaftliche Aktivitäten müssten im Rahmen einer Nachhaltigkeit betrieben werden.

Kleine rentieren besser


"Es hat mich sehr beeindruckt, wie sehr die Leute hier ihr Land lieben. Und ihr starker Wille, diesen Schatz zu schützen", sagt Erica Hennequin. Sie sieht Chancen für eine ökologisch ausgerichtete Forst- und Landwirtschaft im Rahmen von Familienbetrieben.

Dies muss keine wirtschaftlichen Nachteile bringen. Im Gegenteil: Die französische Nichtregierungs-Organisation GRET (Groupe de recherches et échanges téchnologiques) kam in einer Studie sogar zum Schluss, dass die Rendite bei Kleinbauern proportional höher sein kann.

"Grossunternehmungen mit Monokultur-Betreiben erwirtschaften sicherlich einen höheren Pro-Kopf-Gewinn", meint Philippe Sablayrolles von GRET. Doch die Rendite pro Hektar bewirtschaftetes Land sei bei den Kleinunternehmen höher. Für das Amazonas-Gebiet müsste diese Form der Bewirtschaftung daher eigentlich von grossem Interesse sein.

(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

 

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