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Weltsozialforum - Aktivisten strömen nach Montréal

Armut, Umweltschutz, Steuerflucht, Flüchtlingspolitik sind Themen des Weltsozialforums. Erstmals findet das Treffen in einer Stadt des reichen Nordens – in Montréal. Die Wahl des Austragungsortes ist umstritten.

(von Jörg Michel, Frankfurter Rundschau)

In Kanada gilt Montréal als lebensfroh und jung. In der zweitgrößten Stadt des Landes leben fast eine viertel Millionen Studierende, die Kulturszene ist provokativ und bunt, das Straßenbild der zweisprachigen Kommune multikulturell. Andererseits ist Montréal berüchtigt für chronische Probleme, für die einflussreiche Mafia und korrupte Politiker, für den Verfall der öffentlichen Infrastruktur, Armut und das tägliche Verkehrschaos.

Es ist ein besonderer Mikrokosmos, den es so in kaum einer anderen nordamerikanischen Stadt gibt. Er hat auch eine der größten sozialen Bewegungen Kanadas hervorgebracht. Beim sogenannten „Ahorn-Frühling“ im Jahre 2012 zogen Zehntausende Studierende und Aktivisten in Anlehnung an den Arabischen Frühling über die Straßen Montréals, um – mit Erfolg – gegen höhere Studiengebühren, gegen die Notstandsgesetze der damaligen Regierung und für eine gerechtere Zukunft zu demonstrieren.

Gut vier Jahre später wird die Stadt wieder Schauplatz regierungskritischer Aktivisten – diesmal aus aller Welt. Vom heutigen Dienstag an treffen sich in Montréal schätzungsweise 50 000 Angehörige von 5000 globalisierungskritischen Gruppen für sechs Tage zum Weltsozialforum 2016. Ihr Motto: „Wir brauchen eine andere Welt“. Mit Hunderten Diskussionsforen und Aktionen ist es die weltgrößte Veranstaltung ihrer Art. Vor 16 Jahren war das Weltsozialforum als Gegenentwurf zum Weltwirtschaftsforum in Davos gegründet worden.

Die diesjährige Tagung ist für das Weltsozialforum aber ein Einschnitt. Denn mit Montréal haben sich die Veranstalter erstmals für einen Tagungsort in Nordamerika entschieden – auch wegen des „Ahorn-Frühlings“.

Dieser sei ein gutes Beispiel dafür, dass auch in der nördlichen Hemisphäre junge Leute große Veränderungen erwirken könnten, erklärten die Organisatoren. „Der Veranstaltungsort ist gut geeignet für den Beweis, dass Armut nicht länger auf den globalen Süden beschränkt ist“, betonte Attac in Deutschland.

Die Veranstalter hoffen damit auch dem schleichenden Bedeutungsverlust des Forums entgegentreten. „Das Weltsozialforum verliert an Einfluss, und wir müssen es erneuern“, sagte der französische Attac-Sprecher Dominique Plihon. So soll es in diesem Jahr erstmals einen ganzen Tag geben, an dem weniger über die globalen Probleme diskutiert wird, sondern ausschließlich Lösungen im Mittelpunkt stehen, zum Klimawandel etwa, der Flüchtlingskrise, der Friedenspolitik.

In der globalisierungskritischen Bewegung bleibt die Wahl des Tagungsortes gleichwohl umstritten. Bislang hatte das Forum stets bewusst im Süden getagt. 2001 zum Auftakt in Porto Alegre in Brasilien, danach in Ländern wie Indien, Venezuela oder dem Senegal. Kritiker befürchten, die Botschaft, ein globaler Interessenausgleich zu Gunsten des Süden, könne jetzt verloren gehen.

Zumal die Veranstalter in Montréal auch mit unerwünschten Nebenwirkungen ihrer Wahl zu kämpfen haben. Laut kanadischen Medien haben bislang rund 200 Teilnehmer, darunter sechs gewählte Parlamentarier aus Afrika und Asien, kein Visum für Kanada erhalten, weil sie nicht genug Geld für die Rückreise vorweisen konnten. Da die Hotelzimmer in Montréal vergleichsweise teuer sind, bleiben viele Delegierte dem Forum ganz fern.

Die Teilnehmerzahl dürfte jedenfalls deutlich unter jenen zu den besten Zeiten des Forums liegen. Beobachter erwarten zudem, dass rund 80 Prozent der Teilnehmer aus Nordamerika kommen, die allermeisten aus Montréal selbst.

Ein paar globalisierungskritische Prominente werden aufgeboten, unter anderen die US-Autorin Naomi Klein, der französische Philosoph Edgar Morin und der italienische Politologe und Menschenrechtsaktivist Ricardo Petrella. Los geht es heute mit einem großen Demonstrationszug durch die Innenstadt von Montréal – auf den Spuren der Ahorn-Aktivisten.

 

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